Tim Katnawatos gehört in der eSports Szene zu den ersten und ältesten deutschen FIFA-Spielern. Seit 2021 geht er für den FC in der Virtual Bundesliga auf Titeljagd. Im Interview spricht der 24-Jährige über seinen Karriereweg, über die Entwicklung des eSports in den vergangenen Jahren und was den FC so besonders macht.
Tim, du bist mittlerweile schon ziemlich lange dabei, hast die Anfangsschritte des FIFA-eSports erlebt. Wie sahen damals deine ersten Schritte mit Gaming und FIFA aus?
„Das ging bei mir schon sehr früh los mit Spielen wie Mario Kart, damals noch auf der Nintendo Gamecube von meinem Vater. Mit dem Spiel FIFA ging es bei mir aber auch schon im Kindergarten los, damals noch mit einem Joystick auf dem PC. Das Cover von FIFA 06 mit Podolski, Ronaldinho und Rooney vergesse ich bis heute nicht. Ich selbst bin sehr fußballbegeistert, ging für meinen Heimatverein PSV Grün-Weiß Wiesbaden in der F-Jugend auf Torejagd. Zu Weihnachten gab es dann von meinem Vater die neu erschienene Xbox mit FIFA 09. Ab dann gab es für mich nur noch FIFA.“
Wie weiß man, dass man bessere als andere Spieler ist?
„Ich habe in meiner Freizeit nach der Schule immer gegen meine Freunde gespielt, die nie eine Chance hatten und auch später keine Lust mehr hatten gegen mich anzutreten. Den kompetitiven Gedanken, eSportler zu werden hatte ich dabei nicht. Ich wusste nicht einmal, dass man mit FIFA spielen, Geld verdienen kann. Zufällig habe ich mit 17 Jahren im Internet von der ESL (Electronic Sports League) gelesen, die vereinzelt Turniere in FIFA 16 angeboten haben. Warum auch nicht mal da probieren, dachte ich mir und habe es tatsächlich ziemlich weit geschafft. Gegen den damaligen Deutschen Meister Cihan Yasarlar hat es am Ende dann leider nicht gereicht.“
Wann war dann für dich der Moment zu sagen, dass du es als eSportler versuchen möchtest?
„Mit FIFA 17 habe ich die ersten kleinen Turniere gewonnen. Der Kindersender Kika hat mehrmals im Monat kleine FIFA-Turniere organisiert, die ich fast immer gewonnen habe. Mit der Zeit kamen die ersten unseriösen Angebote von verschiedenen eSports-Organisationen, die ich ignoriert habe. Zu dieser Zeit hatte jeder der größeren Spieler ein eigenes Management und ich musste schauen, wie ich mit meinem Taschengeld zu verschiedenen Offline-Events komme. In Hamburg habe ich dann ein Qualifikationsturnier gespielt, um mich für die Virtual Bundesliga zu qualifizieren. Auch hier war dann im Finale gegen Cihan mal wieder Schluss. Aber ich hatte mich ins Rampenlicht gespielt und habe ein Monat später bei meinem Management unterschrieben. Spätestens ab dem Zeitpunkt war der Moment für mich zu sagen, dass ich den Weg als FIFA eSportler gehen möchte.“
Wann kam dann das erste seriöse Angebot?
„2017 habe ich es tatsächlich geschafft, mich für die Weltmeisterschaft zu qualifizieren und damit kamen dann auch die ersten seriösen Angebote von Vereinen und Organisationen. Meinen ersten Vertrag habe ich beim Schweizer Rekordmeister FC Basel unterschrieben. Ich konnte es zu diesem Zeitpunkt gar nicht glauben. Man spielt FIFA und verdient nebenbei ein wirklich gutes Festgehalt bei einem großen Fußballverein. Ab dem Zeitpunkt war einfach FIFA spielen mein Hauptberuf. Total verrückt. Das meiste hat Online stattgefunden. Eine Wohnung in Basel musste ich mir nicht suchen. Ich konnte weiterhin bei meinen Eltern wohnen und die Turniere aus meinem Kinderzimmer spielen.“
Wie haben deine Eltern darauf reagiert? Haben die das überhaupt verstanden?
„Meine Eltern haben mich nach der Schule spielen lassen, solange die Schulnoten gut waren. Natürlich hatten meine Eltern keine Ahnung davon, dass man mit Videospielen Geld verdienen kann. Ich erinnere mich noch, als ich mal den ganzen Sonntag ein ESL-Turnier gespielt habe und dabei 100 € gewann. Ich bin in das Wohnzimmer meiner Eltern gerannt und habe ihnen glücklich von meinem Erfolg berichtet. Die Reaktion der beiden war unbeschreiblich. Die haben die Welt nicht mehr verstanden. Meine Eltern haben mich insgesamt aber auch immer unterstützt und an mich geglaubt, haben für mich die Reisen bezahlt, damit ich alle Turniere spielen kann. Sie sind selbst mit mir zu den internationalen Turnieren durch ganz Europa gereist, um mich zu unterstützen. In Madrid habe ich mal bei einem Turnier ein Preisgeld von 12.000 Dollar gewonnen, spätestens dann haben sie sich mit dem Thema ernster auseinandergesetzt und gesehen, wie rasant der eSports in den vergangenen Jahren gewachsen ist.“
Und was sagt deine Freundin dazu? Das ist für sie sicherlich auch nicht einfach, wenn man den ganzen Tag FIFA spielt, um sich für Turniere vorzubereiten.
„Meine Freundin habe ich vor knapp zwei Jahren in meiner Heimat in Taunusstein kennengelernt. Ich glaube, es können nicht viele von sich behaupten, seine große Liebe in einem Corona-Testzentrum kennengelernt zu haben (lacht). Ziemlich kompliziert war es dann beim Kennenlernen, als ich ihr erklären musste, dass ich mit FIFA spielen auf der Playstation mein Geld verdiene. Mittlerweile wohnen wir glücklich in Köln zusammen und sie unterstützt mich in allem, was ich tue. Auch an den Tagen, an denen ich vielleicht nur zum Essen mein Arbeitszimmer verlasse. Das ist manchmal nicht einfach für sie, und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Sie versucht bei jedem Turnier mit dabei zu sein. Wenn wir dienstags unseren VBL-Spieltag haben, gibt es morgens entweder einen Glückskeks von ihr oder sie schreibt mir eine Glückskarte.“
Wie oft und wie lange trainiert man? Wie sieht dein Training aus?
„In der Woche sind das vier bis fünf intensive Trainingstage mit unserem Trainer Peter Schwab. Die meisten denken wahrscheinlich, dass unser Training dann so aussieht, dass wir einfach nur zocken. Schön wäre es. Unsere Woche ist aufgebaut mit einem strukturierten Wochenplan. Der beinhaltet Videoanalyse, Taktiktraining, Mental- und Livecoaching. Jeden Dienstag haben wir unseren Virtual Bundesliga Spieltag, meistens gegen zwei Gegner. Am Wochenende sind dann andere Turniere, die wir auch spielen. Nebenbei muss man sich auch seine Eigenmarke aufbauen und versuchen, in der freien Zeit zu streamen oder Content für die Social-Media-Kanäle aufzunehmen. Ich glaube, das Unterschätzen leider sehr viele, wie zeitintensiv der Job auch sein kann. Man darf mich jetzt hier nicht falsch verstehen, ich liebe meinen Job und sehe es als großes Privileg, diesen auszuüben. Aber auch wir eSportler haben Momente, in denen man sich natürlich ein bisschen Abwechslung wünscht.“
Inwiefern hat sich der eSports in den vergangenen Jahren entwickelt?
„Wenn man FIFA mit anderen Spieletiteln im eSports vergleicht, steckt FIFA noch in den Kinderschuhen. Der FIFA-eSports hat erst 2017 so richtig angefangen und ist in den Jahren sehr stark gewachsen. Ähnlich wie beim Fußball oder bei anderen Sportarten, hat bedauerlicherweise auch die Coronapandemie dazu beigetragen, dass viele Offline-Events mit Zuschauern nicht stattgefunden haben. Der eSports lebt von den Emotionen der Spieler und Zuschauer. Die Fans wollen ihre eSportler, die sie unterstützen, vor Ort sehen, wie sie Emotionen zeigen oder jubeln. Auch beim Preisgeld hat sich nicht viel verändert über die Jahre. Über mehr würde ich mich nicht beschweren (schmunzelt). Es ist kein schlechtes Preisgeld. Wenn man große Turniere gewinnt, kannst du auch ordentlich Geld verdienen. Aber im Vergleich zu anderen eSports-Titeln ist das Preisgeld deutlich geringer. Wenn man als Beispiel Fortnite nimmt, da bekommt man allein für die WM-Teilnahme knapp 100.000 Dollar und ich war jetzt bei drei Weltmeisterschaften in FIFA dabei und habe 1.500 Dollar verdient. Das nächste Jahr wird ein sehr spannendes und entscheidendes Jahr für das Spiel FIFA als eSports-Titel. Die Virtual Bundesliga wird als zusätzlicher Wettbewerb in den Liga-Statuten der DFL verankert, heißt alle Erst- und Zweitligisten müssen ein Team in der VBL stellen. Außerdem zieht sich die FIFA aus dem Spiel zurück, dadurch erhoffen wir uns für den Spielehersteller Electronic Arts mehr Freiheiten in der Turnierorganisation.“

Welche Herausforderungen hast du im Zusammenhang mit dem FIFA-eSports bisher erlebt? Welche Rolle spielen die FIFA-Updates und Patches in deiner Vorbereitung auf Wettkämpfe?
„Das ist immer so eine Sache. Jedes Jahr erscheint ein neues FIFA-Spiel. Grundsätzlich ist es immer das gleiche Spiel nur mit anderen und neuen Mechaniken. Mal hat man beispielsweise einen Jahrgang, in der Kurzpässe stärker sind, dann ein Teil, in denen besonders Flanken stark sind. Jedes Jahr muss man sich neu auf das Spiel einstellen und die Stärken herausfinden. Dann kommen zusätzlich in der laufenden Saison neue Patches, auf die man sich neu einstellen muss. Du hast eine gute Phase, gewinnst fast alle Spiele und dann auf einmal kommt ein Patch und die Dinge gehen nicht mehr, die vielleicht gestern noch reibungslos funktioniert haben. Dann heißt es, wieder Trainingsphasen intensivieren, in den man sich gerne auch mal paar Tage in sein Arbeitszimmer einschließen muss.“
Welche Rolle spielt die Mentalität in deinem Spiel und wie bereitest du dich auf Wettkämpfe vor?
„Das Wichtigste im eSports ist das Mentale. Wenn du mental nicht auf der Höhe bist, wenn man nicht voll fokussiert ist, dann wird es schwer, zu gewinnen. Du kannst der beste Spieler sein, aber wenn du mental nicht da bist, wirst du keine Chance haben. Um das zu üben, haben wir beim FC einen Sportpsychologen. Er gibt uns verschiedene Tipps im Einzel- und Teamcoaching. In FIFA muss man dauerhaft fokussiert sein, die Tore fallen schneller als im echten Fußball und ich bin nicht einer von Elf-Spielern, sondern ich steuere das ganze Team.“
Was bedeutet es für dich, beim FC zu spielen?
„Es ist ein sehr schönes Gefühl, für den FC zu spielen. Der Verein ist sehr herzlich und familiär, das habe ich bisher bei keinem anderen Verein so erlebt. Da ich aus der Nähe von Wiesbaden komme, hatte ich bis zu meinem Wechsel nie eine wirkliche Verbindung zum FC. Nach meinem Umzug nach Köln schaffe ich es zu jedem Heimspiel der Profis. Es ist mit Abstand die bisher beste Station in meiner Karriere und ich hoffe, noch viele weitere Jahre im Trikot mit dem Geißbock auf der Brust zu spielen.“
Vamos
— 1. FC Köln eSports (@fckoeln_esports) March 9, 2023
Im Playoff-Spiel gegen den @KarlsruherSC setzen sich die Jungs souverän durch und stehen somit auch dieses Jahr wieder im VBL CC Finale. #effzehpic.twitter.com/HpldF2l1Zv
15.03.2023 Club Erstellt von Julius Zimmermann
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