Kingsley Schindler hat im vergangenen Jahr Höhen und extreme Tiefen erlebt. Nach einem sportlichen Hoch musste er mit dem Verlust seiner Mutter den wohl härtesten Tiefschlag hinnehmen. Ein Jahr später erfüllt sich für Schindler mit der erstmaligen Nominierung für die ghanaische Nationalmannschaft ein Traum. Doch die Zusage fiel ihm alles andere als leicht.
Kingsley Schindler hat im vergangenen Jahr vor allem privat Höhen und Tiefen erlebt. Der Verlust seiner Mutter war der härteste Schicksalsschlag. „King“, wie der Außenbahnspieler von seinen Mitspielern genannt wird, verband viel mit seiner Mutter, besonders die Nähe zur ghanaischen Kultur. Den Traum, eines Tages für das Land zu spielen, in dem die Wurzeln seiner Mutter liegen, hatte King schon lange. Als er sich diesen Traum im März 2023 erfüllen konnte, fiel es ihm alles andere als leicht. Denn ein Jahr nach dem Tod seiner Mutter wächst ein neues Leben in seiner Familie heran. Ein kurzer Blick zurück:
13. März 2022
Der 1. FC Köln gewinnt bei Bayer 04 Leverkusen mit 1:0. Kingsley Schindler trifft in der 67. Minute und wird zum Matchwinner. Die Freude scheint grenzenlos. Doch kurz darauf rückt der Sport komplett in den Hintergrund als King seine Mutter Cynthia Schindler verliert.
King und seine Mutter hatten ein enges Verhältnis. Sie zog ihn und seine jüngere Schwester Rosemond allein groß, nachdem der Vater die Familie verlassen hatte. „Wir hatten eine extrem krasse Bindung. Wenn du nur mit einem Elternteil aufwächst, ist dieser Part wie ein eigenes Standbein für dich“, sagt Kingsley Schindler.
1990 kam Cynthia Schindler aus Ghana nach Deutschland. In Hamburg ließen sich Cynthia und Kings Vater nieder. King kam 1993 zur Welt, seine Schwester Rosi wurde 1999 geboren. King ist gebürtiger Hamburger, Deutschland ist seine Heimat. Doch seine Wurzeln liegen in Ghana.
Der Verlust seiner Mutter traf King hart. Mit der Hilfe seines Umfelds lernte er, damit umzugehen. „Ich habe in der Zeit unfassbare Liebe von meinen engsten Leuten gespürt. Meine Schwester, meine Frau, meine Schwiegermutter und meine besten Jungs haben mir sehr viel Kraft gegeben. Das und mein Glaube an Gott haben mich in dieser schwierigen Zeit extrem gestützt.“ Die Dankbarkeit für sein Umfeld habe in dieser Zeit neue Dimensionen erreicht.
Kaderdebüt dort, wo die eigenen Wurzeln liegen
Im Landesinneren Ghanas, etwa vier Autostunden von der Hauptstadt Accra entfernt, liegt Kumasi. Am Rand dieser Stadt lebten vor über drei Jahrzehnten die Eltern von King. Am 23. März 2023 traf genau in dieser Stadt die ghanaische Nationalmannschaft, auch Blackstars genannt, auf die Nationalmannschaft Angolas. Zum ersten Mal im Kader der Blackstars: Kingsley Schindler.
Es war ein langer Weg hierher. Schon früh wusste King, dass er eines Tages für die Mannschaft spielen will. „Ich bin ghanaisch aufgewachsen, spreche die Sprache, kenne die Kultur“, sagt er. Schon bei der WM 2006 habe er davon geträumt, selbst für die Blackstars zu spielen. Auch mit seiner Mutter sprach er oft darüber: „Ich habe immer zu meiner Mutter gesagt, wie stolz ich darauf wäre, für das Land meiner Eltern zu spielen. Es war mein großer Traum und es hat sich ein bisschen angefühlt wie ein Versprechen an sie, dass ich immer alles dafür geben werde.“
Der Anruf des Nationaltrainers mit der finalen Bestätigung kam erst am 17. März, sechs Tage vor dem Spiel der Blackstars gegen Angola in Kumasi. „Dass es dann wirklich dazu gekommen ist, war irgendwie nicht ganz real. Ich habe nur gedacht, dass sich Geduld und harte Arbeit endlich ausgezahlt haben.“ Trotzdem bereitete ihm dieser Anruf Kopfzerbrechen. Denn seine Frau Ashlee ist zum Zeitpunkt des Anrufs hochschwanger.
Die Entscheidung für die Nationalmannschaft sei ihm nicht leichtgefallen, erzählt King. „Auf der einen Seite stand dieser große Traum, ich wurde zum ersten Mal nominiert und dann auch noch für ein Spiel in der Stadt, in der meine Wurzeln liegen. Diese Kultur verbindet mich sehr mit meiner Mutter.“ Auf der anderen Seite sei da die Geburt seiner Tochter gewesen, die man nicht habe planen können. „Die Entscheidung hat mir einige schlaflose Nächte beschert.“
King und seine Frau Ashlee hatten schon früh besprochen, welche Möglichkeiten es gebe, wenn er es in den Kader der Blackstars schaffen sollte. Eine davon wäre es, dass seine ungeborene Tochter wartet, bis er von seiner Reise zurückkehrt. Gehofft hatten die beiden, dass das Baby schon vor Kings Abreise auf die Welt kommt. „Die dritte Möglichkeit war, dass ich nicht bei der Geburt dabei bin. Aber wir haben sehr schnell gesagt, dass es in diesem Fall dann einfach so sein soll.“ Dass das erste Spiel Ghanas in Kumasi stattfand, bestärkte King nur darin, diese Chance wahrzunehmen, um sich seinen großen Traum zu erfüllen. Seine Frau unterstützte ihn dabei bedingungslos.
20. März 2023
Um 11 Uhr besteigt King am Flughafen Köln/Bonn ein Flugzeug. Über Amsterdam fliegt er nach Ghana. Um 19 Uhr landet er in Accra, der Hauptstadt Ghanas. Am selben Tag wird in Köln seine Tochter Kumi Ada geboren. „Meine Frau hat mir gegen 22.30 Uhr geschrieben, dass es jetzt losgeht und sie ins Krankenhaus muss. Dass dann alles so schnell ging, hat uns alle überrascht. Ich war bereit, die ganze Nacht wachzubleiben.“
Um 23.59 Uhr erhält King eine Nachricht von seiner Schwägerin: „Deine Kleine ist jetzt auf der Welt.“ King lernt seine Tochter Kumi Ada auf seinem Hotelzimmer über FaceTime kennen. Drei Tage später feiert er sein Kaderdebüt für Ghana dort, wo seine Geschichte begann und an dem Ort, an dem die Wurzeln seiner Mutter und damit auch seine eigenen liegen. Am 27. März gibt King dann sein Debüt für die Blackstars. Im Estádio 11 de Novembro in Angola steht er in der Startelf der ghanaischen Nationalmannschaft. Das Spiel endet 1:1.
„Am Ende ist alles so gekommen, wie wir es uns gewünscht haben. Ich habe meinen Einsatz bekommen und bin jetzt zuhause der glücklichste Mensch. Ich bereue nichts. Ich habe in Ghana so viel Liebe von den Menschen gespürt. Damit zurückzukommen und meine Tochter zu sehen, hat alles übertroffen. Ich habe nur Glücksgefühle.“ Und über seine Mutter sagt er: „Ich hoffe, dass sie das jetzt von oben gesehen hat, stolz auf mich ist und sich gefreut hat.“
12.04.2023 Profis
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