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Jörg Alvermann im Interview: „Das wollen wir uns unbedingt erhalten“

28.12.2025

Das GeißbockEcho hat sich mit den neuen Vorständen des 1. FC Köln unterhalten. Jörg Alvermann spricht im Interview über Austausch auf Augenhöhe, besondere FC-Erlebnisse und erklärt, was ihm neben dem Fußball wichtig ist.

Jörg, rund drei Monate im Amt sind vorbei. Wie waren sie?

Jörg Alvermann: Intensiv und toll. Es war ein Sprung ins kalte Wasser: Am 27. September wird man gewählt, am nächsten Tag ist man direkt gegen Stuttgart im Stadion. Man nimmt in dem Moment, in dem man gewählt wird, ja sofort seinen Platz auf dem Podium bei der Mitgliederversammlung ein. Und dann ist man mittendrin. Es war viel los, aber der Empfang am Geißbockheim war unglaublich warm – von der Geschäftsführung bis zu den Mitarbeitenden. Wir nehmen überall eine sehr große Offenheit wahr.

Vorstand beim FC ist ein Amt, auf das man sich nicht richtig vorbereiten kann, oder?

Ja und nein. Der Wahlkampf war sehr intensiv. Als Kandidat wird man da auf Herz und Nieren geprüft und muss sich als Team finden. Man spricht mit den Fans, in Diskussionsrunden, in Interviews. Egal, wer gewählt worden wäre – jedes Team wäre am Ende das bestvorbereitete Kandidatenteam seit Jahren gewesen. Wir haben Medienerfahrung gesammelt, gelernt, in der Öffentlichkeit zu stehen, uns intensiv mit dem FC beschäftigt. Das war einerseits anstrengend, inhaltlich aber Gold wert. Gleichzeitig ist natürlich vieles neu, wenn man hinter die Kulissen schaut. Und die Emotionalität dieses Clubs ist schon etwas Besonderes.

Was hat Dich am meisten beeindruckt?

Erstens: Die unfassbare Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Club. Natürlich wusste ich, dass hier niemand arbeitet, der den FC doof findet. Aber wie stark die Kolleginnen und Kollegen mitfiebern, mitfühlen – das ist extrem beeindruckend. Zweitens: Wie stark Außenwahrnehmung und Binnenverhältnis voneinander abweichen. Viele Personen, viele Abläufe kannte ich nur von außen. Wenn man sie intern erlebt, ist das dann doch etwas anderes.

Gab es die eine spannendste Begegnung bisher?

Nicht die eine, es waren viel mehr viele kleine Dinge. Das erste, was mir am Geißbockheim begegnete, war eine Katze – damit rechnet man nicht. Und die „Südkurve“ als Ort für die Mitarbeitenden kannte ich vorher gar nicht. Ich habe mich dort bewusst öfter hingesetzt und einfach zugehört. Eine großartige Anlaufstelle – sehr niederschwellig.

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Ihr habt Euch die Aufgaben innerhalb des Vorstandes ein Stück weit aufgeteilt. Deine Liste an Themen ist sehr lang.

Das liest sich viel, ja. Aber: Wir sind kein operatives Organ. In all diesen Bereichen gibt es großartige Mitarbeitende. Das war eine der beruhigendsten Erkenntnisse. Die Expertise ist da. Wir tragen Verantwortung – operativ machen das die Profis im Haus. Bei mir liegt alles die rechtlichen Themen betreffend – das ist mein beruflicher Hintergrund. Dazu auch steuerliche Themen sowie das gemeinnützige Engagement inklusive Stiftung und Bereiche, in denen rechtliche Expertise besonders wichtig ist: Sicherheit, Personal.

Was willst Du insbesondere aus Deiner Erfahrung einbringen?

Ich habe gesagt: alles geht, nichts muss. Wir haben eine Aufsichtsverantwortung. Ab bestimmten Punkten müssen wir Entscheidungen treffen – dafür sind wir angetreten. Aber in vielen Bereichen sehe ich mich als Sparringspartner. Ich will verstehen, will zuhören, will ansprechbar sein. Natürlich stoßen wir auch selbst Prozesse an – etwa die Satzungs- und Strukturkommission und die AG Mitgliederbeteiligung. Aber vor allem wollen wir unterstützen, stärken, Rückendeckung geben.

Das klingt sehr nach Austausch auf Augenhöhe. Was ist Euch im Umgang wichtig?

Es ist genau diese Augenhöhe. Untereinander im Vorstand, mit der Geschäftsführung, mit allen Mitarbeitenden. Ich mag kurze Wege, keine starren Berichtslinien. Ich sehe mich nicht als „Chef“. Wir haben Funktionen, ja, aber keine klassischen Hierarchien. Auch im Vorstand ist die Struktur flach. Ich wohne zudem um die Ecke – zu Fuß zehn Minuten, mit dem Fahrrad drei. Das hilft natürlich, präsent zu sein.

Wie verbindet sich Dein Beruf mit dem Alltag beim FC?

Wir haben gesagt: Insbesondere in den ersten Monaten ist Präsenz extrem wichtig. Zuhören, die Menschen hier kennenlernen. Mein Büro hält mir dafür den Rücken frei – so war es geplant. Inzwischen gibt es selten reine FC- oder reine Büro-Tage. Durch die Nähe kann ich beides flexibel verbinden. Vieles läuft digital.

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Mit welcher Vision bist Du angetreten?

Wir haben als Team eine gemeinsame Vision. Sportlich wollen wir den FC als etablierten Bundesligisten sehen: konstant Bundesliga, mittelfristig obere Tabellenhälfte. Strukturell wollen wir den FC einfacher machen. Ein Club, den jedes Mitglied versteht. Weniger Gremienvielfalt, mehr Transparenz. Und drittens: Wir wollen das enorme Potenzial der über 155.000 Mitglieder und Fans besser nutzen. Unsere Größe spiegelt sich bislang zu wenig im Ergebnis wider. Außerdem möchte ich stärker sichtbar machen, was der FC der Stadt gibt – durch gemeinnützige Arbeit, Stiftung, Jugendarbeit.

Diese Verbindung zwischen Stadt und Club gibt es wohl nur in Köln.

Absolut. Und man muss der Politik noch stärker vermitteln, dass der FC nicht nur etwas fordert, sondern der Stadt extrem viel gibt. Der Club ist ein gesellschaftlicher Faktor.

Beim neuen Oberbürgermeister scheint dieses Bewusstsein vorzuherrschen.

Ja, dieses Gefühl habe ich auch. Torsten Burmester und ich kommen beide aus Remscheid – es wurde schon gewitzelt, Köln werde jetzt von Remscheid übernommen, als wir an einem Wochenende beide gewählt wurden. Aber unabhängig davon: Er versteht Sport. Den sozialen, integrativen, gesundheitlichen Wert. Das ist eine Riesenchance – nicht nur für Themen wie das Geißbockheim, sondern für den ganzen Breitensport in Köln.

Beim OB war als Kind damals die Wahl zwischen Dortmund und Schalke. Wie war es bei Dir: Schon immer FC?

Ich musste mich nicht entscheiden. Für mich waren es Erlebnisse aus der Jugend: Mein Vater nahm mich mit ins Müngersdorfer Stadion – und dann war ich FC-Fan. In Remscheid gab es Fans aller Art, aber man war als FC-Fan definitiv nicht allein. Und in den 70ern war es auch nicht schwer – der FC hat oft gewonnen.

Wer war Dein Lieblingsspieler?

Toni Schumacher. Obwohl ich selbst nie Torwart war.

Gibt es ein Fan-Erlebnis, das besonders hängen geblieben ist?

Viele! Mein erstes Mal im Müngersdorfer Stadion war 1978, ich war sieben, gegen Kaiserslautern. Ich weiß noch dieses Gefühl als kleiner Junge zwischen all den großen Menschen. Prägend waren vor allem Auswärtsfahrten: London im Europapokal – Highbury, die FC-Fans auf den Wiesen, Karnevalslieder, dieser Sternmarsch. Oder das Risse-Tor im Derby. Es gibt unglaublich viele Momente.

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Erlebst Du die Spiele jetzt, in Deiner neuen Rolle, anders?

Während der 90 Minuten nicht. Da bin ich genauso Fan wie vorher – da rufe oder schreie ich Dinge, und wenn ich wirklich nervös bin, sage ich gar nichts. Aber alles drumherum ist jetzt anders: andere Plätze, andere Verantwortung. Ich gehe mit einem anderen Gefühl ins Stadion, weil ich Verantwortung für Abläufe, Gespräche und das Umfeld trage. Das ist ein Amt, das man ausübt. Während des Spiels fiebern wir drei aber genauso mit wie vorher.

Kannst Du das Spiel noch genießen, oder fehlt Dir das manchmal?

Das wollen wir uns unbedingt erhalten. Man wird uns nicht nur auf den Business-Plätzen sehen. Gegen Hamburg zum Beispiel stand Ulf spontan in der Südkurve – ohne Show, ohne Fotos, sondern weil wir es einfach mögen. Natürlich habe ich keine Illusionen: Wenn ich mich heute auf einen normalen Platz setze, werde ich wahrgenommen. Aber ich habe festgestellt, dass auch im Business-Bereich viele Fans genauso leiden und feiern wie überall sonst. Das hat mich sehr erleichtert.

Wie schaltest Du vom Beruf und Deiner FC-Tätigkeit ab? Welche Hobbys hast Du?

Gute Tipps nehme ich gerne entgegen (lacht). Bis zu meiner Wahl hatte ich das perfekte Ehrenamt: Ich war Fußballtrainer, zuletzt in einer U19. Das war zeitlich fordernd, aber ein idealer Ausgleich. Auf dem Fußballplatz ist der Kopf sofort frei. Das fällt jetzt weg, weil ich es zeitlich nicht mehr schaffe. Sport wollte ich eigentlich als Ausgleich nutzen: Ich spiele Tennis, habe früher auch gut gespielt, und ich habe auch als Fußballtrainer oft mitgekickt. Das geht jetzt aber kaum noch. Joggen mag ich nicht – das ist mir zu langweilig. Momentan besteht mein Leben aus Beruf und FC. Was bleibt, ist Zeit mit Familie und Freunden. Ich gehe gerne essen und aus, aber ich achte darauf, Einladungen ausgewogen anzunehmen und auch viel Zeit mit Menschen zu verbringen, die nichts mit dem FC zu tun haben. Am Wahltag bin ich noch feiern gegangen – aber bewusst mit Freunden, die mit dem Verein gar nichts zu tun haben. Das brauche ich, und das will ich mir unbedingt erhalten.

Mit welchen drei Worten würden Dich Deine besten Freunde beschreiben?

3 G: Gesellig, großzügig und gelassen.

Das Interview mit Jörg Alvermann ist zuerst im GeißbockEcho (Ausgabe 2, Saison 2025/26) erschienen. Weitere Hintergrundstorys zum FC lest Ihr hier im geschlossenen Mitgliederbereich.