Am 5. November 1980 schrieb der 1. FC Köln Europapokalgeschichte: Auf den Tag genau vor 45 Jahren besiegte das Team von Trainer Rinus Michels als erster deutscher Club den FC Barcelona im eigenen Stadion. Bis heute ist das 0:4 gegen den FC die höchste Heimniederlage, die Barca jemals in einem internationalen Wettbewerb erlitt, lediglich Dynamo Kiew gelingt 1997 in der Champions League ebenfalls ein 4:0 im Camp Nou. Der FC-Triumph sorgte im berühmten „Camp Nou“ jedoch nicht für Applaus, sondern für fliegende Flaschen, Steine, Früchte und Münzen…
Nachdem der FC 1978/79 noch im Halbfinale des Europapokals der Landesmeister gestanden hatte, musste man im Folgejahr ohne internationalen Wettbewerb auskommen – seinerzeit für Club und Fans eine Enttäuschung, ein verpasstes Mindestziel jeder Saison. 1980/81 dann die Rückkehr nach Europa, die im UEFA-Cup mit einer lösbaren Aufgabe begann. Gegen die Isländer von IA Akranes folgte einem 4:0-Sieg in Akranes ein noch deutlicheres 6:0 in Köln.
Nach der Pflichtaufgabe Akranes bescherte das Los mit dem FC Barcelona schon in Runde zwei einen der Top-Favoriten des Wettbewerbs. Und das ausgerechnet zur Unzeit, denn der FC hatte sich zwischenzeitlich von Trainer Karl-Heinz Heddergott getrennt. Knapp eine Woche vor dem Hinspiel gegen Barca hatte dessen Nachfolger Rinus Michels seinen ersten Arbeitstag am Geißbockheim. Doch der internationale Einstand des Niederländers missglückte: ein Tor von Quini besiegelte vor 27.639 Zuschauern die Heimniederlage. „Das dürfte das Aus für Köln sein“, titelte der Kicker und rechnete nicht mehr mit einem Weiterkommen des FC.
Vielleicht war es aber gerade wegen der düsteren Prognosen, dass die Mannschaft an jenem 5. November eine dieser Flutlicht-Kultnächte zelebrierte, die in die Clubhistorie einging und die bis heute unvergessen ist. Eine Nacht, in der alles passte und in der Tore von Gerd Strack, Stephan Engels, Pierre Littbarski und Dieter Müller aus einer eigentlich unlösbaren Aufgabe einen verdienten 4:0-Sieg machten. Nach eher vorsichtiger erster Halbzeit agierte der FC in der zweiten Hälfte wie entfesselt. Offensiv wirbelten der eingewechselte Pierre Littbarski, Tony Woodcock, Holger Willmer, Dieter Müller und Stephan Engels, hinten ackerten Harald Konopka, Bernd Cullmann, Gerd Strack und Kapitän Rainer Bonhof, der trotz genähter Kopfplatzwunde mit Verband und blutverschmiertem Trikot weitermachte.
Als Dieter Müller in der 70. Minute für die endgültige Entscheidung sorgte, gingen einem nicht geringen Teil der 35.000 Zuschauer die Nerven durch. Alles, was sich irgendwie als Wurfgeschoss zweckentfremden ließ, flog Richtung Platz und vor allem Richtung FC-Bank: Steine, Flaschen, Früchte, Münzen und sogar Sitzbänke. Ein Stein traf Ersatzspieler Frank Hartmann derart heftig, dass er von Mannschaftsarzt Dr. Bernhard Waldecker behandelt werden musste. Doch damit nicht genug: als Hannes Löhr eine Sitzbank zurückwarf, geriet der FC-Sportdirektor in ein Handgemenge mit Polizisten und wurde mit Tritten und Fausthieben traktiert, anschließend sogar kurz festgenommen und in die Nou-Camp-Katakomben abgeführt.
„Solche Tumulte habe ich noch nie erlebt. Da hat der Ordnungsdienst krass versagt“, sagte Löhr anschließend schockiert, EXPRESS-Reporter Hans Reski schrieb von der „katalanischen Hölle“. Mit Mühe konnte der englische Schiedsrichter Patrick Partridge zumindest auf dem Spielfeld wieder für Ruhe sorgen, während sich die Rangeleien auf den Rängen fortsetzten. Nur Rinus Michels blieb, seinem Spitznamen „Der General“ gerecht werdend, unbeirrt im Steinhagel stehen und war anschließend sichtlich zufrieden: „Heute hat mich jeder, aber auch wirklich jeder, überzeugt. Vor allem hat mich gefreut, dass die Spieler endlich ihren Auswärtskomplex ablegten und sich jeder einzelne vorbildlich verhielt.“
Nach weiteren Erfolgen über den VfB Stuttgart und Standard Lüttich schied der FC erst im Halbfinale gegen den späteren Cupsieger Ipswich Town aus dem Wettbewerb aus.
5. November 1980, UEFA-Cup, 2. Runde (Rückspiel), Barcelona (Spanien), Stadion „Nou Camp“
FC Barcelona - 1. FC Köln 0:4 (0:1)
FC-Aufstellung: Harald „Toni“ Schumacher, Dieter Prestin (41. Pierre Littbarski), Harald Konopka, Gerd Strack, Holger Willmer, Rainer Bonhof, Bernd Cullmann, Stephan Engels, René Botteron, Dieter Müller, Anthony Woodcock. Trainer: Rinus Michels
Tore: 0:1 Strack (41.), 0:2 Engels (46.), 0:3 Littbarski (63.), 0:4 Müller (70.)
Zuschauer: 35.000