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Kicken hinter Gittern

16.11.2025

Selbst wo Mauern trennen, bringt der Fußball die Menschen zusammen. Seit einigen Jahren engagiert sich die FC-Stiftung in der JVA Ossendorf. Das Training soll die isolierten Häftlinge zusammenbringen und ihnen dabei helfen, sich wieder besser in die Gesellschaft einzugliedern.

Unzählige Male am Tag drückt der Pförtner den Knopf und öffnet das Tor für die Besuchenden. Dahinter steht eine Beamtin, die durch das Labyrinth des Gefängnisses führt. Ohne sie käme man nicht weit, denn hinter jedem der langen Gänge wartet eine neue Stahltür. Es ist still – einzig der dicke Schlüsselbund der vorausgehenden Beamtin klimpert. Die gelbe Farbe an den Wänden blättert an vielen Stellen bereits ab. Fenster gibt es keine. Nur durch die einzig offenstehende Seitentür fällt etwas Tageslicht ein. Dort geht es zum Sportplatz.

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„Ich habe jedes Mal ein mulmiges Gefühl, wenn ich hier langlaufe“, sagt Tanja Reinisch. Die Stiftungsmanagerin besucht das Gefängnis nicht zum ersten Mal. Regelmäßig veranstaltet sie im Kölner Gefängnis ein besonderes Training, bei dem verschiedene Teams der FC-Familie gemeinsam mit den Insassen in der JVA trainieren. „Inhaftierte Menschen tun sich nach ihrer Entlassung besonders schwer, wieder in die Gesellschaft zurückzufinden. Durch die Besuche sorgen wir für vielfältige Begegnungen, die den Gefangenen vom Gefängnisalltag ablenken“, erklärt Reinisch.

Der Sport kann den Häftlingen als ein wichtiger Anker dienen. Laut Studien ist die Rückfallquote am höchsten, kurz nachdem sie das Gefängnis verlassen haben. Über sieben Prozent der entlassenen Häftlinge begehen in den ersten sechs Monaten wieder eine Straftat. Die Gründe sind vielschichtig: Häufig verfallen sie in alte Muster, weil ihnen Stabilität fehlt oder sie das Gefühl haben, weiterhin als Straftäter wahrgenommen zu werden.

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Dort möchte die FC-Stiftung gegensteuern. Sie leitet die Fußballeinheit, an der diesmal auch die Inklusionsmannschaft von Germania Zündorf teilnimmt. Zum Start verteilt sie bunte Hütchen quer über dem roten Tartanfeld. Die Häftlinge und Sportlerinnen und Sportler von Germania Zündorf müssen sich zunächst als Pärchen durch die Dribbling-Parcours schlängeln. An Zuschauern mangelt es nicht. Da der Sportplatz in der Mitte der Haftanstalt liegt, können einige Inhaftierte durch ihre Fenster das Training beobachten.

Rund ein Dutzend Häftlinge stehen bei den Einheiten des Projekts auf dem Platz. Dabei dürfen nur die Gefangenen teilnehmen, die sich in der JVA vorbildlich verhalten. Die Länge der Haftstrafe oder die Härte ihres begangenen Verbrechens sind dabei egal. Der Tag eines Inhaftierten ist strikt geregelt: Um 6 Uhr aufstehen, Frühstück, Arbeit, Mittagessen, Arbeit, Abendessen. Um 21 Uhr geht es zurück in die Zelle, um für die Nacht eingeschlossen zu werden. Ohne Regeln funktioniert der Strafvollzug nicht. Allerdings können diese nicht nur durch einen getakteten Tagesablauf festgelegt werden. Auch im Sport finden sich Regeln wieder. Nur bereitet man sie hier spielerisch auf. Mit Stress umgehen, Gefühle kontrollieren, sich Ziele setzen – die Gefangenen entwickeln sich über die Einheiten weiter.

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Genau aus diesem engen Korsett soll das Projekt der FC-Stiftung für einige Stunden herausführen. „Immer wieder berichten uns die Teilnehmenden, dass sie sich auf unser Training besonders freuen, weil sie auf dem Platz alles um sich herum für ein paar Stunden vergessen können“, erzählt Reinisch.

Die Inklusionsmannschaft ist heute zum fünften Mal in der JVA zu Gast. „Unser Ziel ist es, dass ein Austausch zwischen den Häftlingen und den besuchenden Teams entsteht“, sagt Reinisch. Deshalb mischen die Trainer die Mannschaften bei jedem Spiel. Was sofort auffällt: Es wird Rücksicht genommen, zusammen gejubelt und sich erkundigt, falls jemand verletzt ist. Stürmerin Michelle Richter ist seit ihrer Kindheit auf eine Gehhilfe angewiesen. Nach einem Fehlpass spielt einer der Inhaftierten auf die 31-Jährige ab. Sie stoppt den Ball mit ihrem Rollator und schießt ihn ins Tor. Die Teilnehmenden stürmen zu ihr und umarmen sie.

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Danach wird das letzte Spiel abgepfiffen. Während die Sonne langsam hinter den Gefängnismauern verschwindet, lässt die Gruppe den Tag bei Kuchen und Saft ausklingen. Einige setzen sich auf die Bänke, die Helfer am Seitenrand aufgestellt haben, andere spielen sich noch auf dem Feld die Bälle zu. Viele haben sich in den letzten Monaten angefreundet. Es wird gelacht, sich aber auch tiefgründig unterhalten. Eine Gefangene erzählt, dass sie das Gefängnis in wenigen Tagen verlassen darf. Richter gratuliert Ihr und sagt: „Bitte versprich mir, dass ich dich hier nie wieder treffen werde.”