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Thomas Kessler im Interview: Privileg und Verantwortung
Thomas Kessler wurde am Ende der vergangenen Saison zum neuen Sportdirektor des 1. FC Köln ernannt. Nachdem er zuvor viele Jahre Spieler, dann Trainee und Leiter des Lizenzbereichs war, trägt er nun die sportliche Verantwortung beim FC. Nach dem geglückten Aufstieg wurde der gebürtige Kölner von der Interims- zur Dauerlösung auf der neuen Position. Im Interview mit dem GeißbockEcho blickt Kessler auf einen intensiven Transfersommer zurück, spricht über seine Herangehensweise bei der Kaderplanung und erklärt, was es ihm bedeutet, bei seinem Heimatverein in verantwortlicher Position zu sein.
Thomas, nach dem Ende der Transferperiode ging es für Dich erst einmal in den Urlaub. Wie nötig hattest Du diese Tage nach der intensiven Transferzeit?
Thomas Kessler: Die Transferphase ist grundsätzlich eine sehr intensive Zeit, in der man als Sportdirektor ständig erreichbar sein muss. Nach der Transfersperre und dem Aufstieg war in diesem Sommer ein größerer Umbruch notwendig. Deshalb stimmt es schon, die letzten Wochen war ich rund um die Uhr gedanklich bei der Arbeit und beim FC. Wir haben auf den letzten Metern noch einiges umgesetzt. Danach hat es aber gutgetan, im Urlaub ein paar Tage die Akkus wieder aufzuladen.
Zwölf Neuzugänge stehen 14 Abgängen gegenüber. Hast Du zu Beginn der Transferphase gedacht, dass es so viele Veränderungen geben wird?
Für uns war intern früh klar, dass wir in der Mannschaft neue Akzente setzen möchten und müssen. Ein Mannschaftsgefüge lebt auch ein Stück weit davon, dass es Veränderungen gibt, wir wollten neue Reize setzen und den Konkurrenzkampf wieder deutlich erhöhen. Dafür bedarf es Impulse von außen. Natürlich haben wir den Aufstieg in der vergangenen Saison geschafft, aber um in der Bundesliga bestehen zu können, war uns klar, dass wir die Qualität in unserem Kader in der Breite und in der Spitze verbessern müssen.

Mit den Verpflichtungen von Ragnar Ache und Isak Johannesson hat der FC zweimal früh auf dem Transfermarkt zugeschlagen. Wie wichtig war das, um auch ein Zeichen nach außen zu setzen?
Beide gehörten zu den herausragenden Spielern in der 2. Bundesliga und wir waren davon überzeugt, dass sie auch in der Bundesliga einen positiven Impact auf unsere Mannschaft haben können. Im Fall von Isak war es zudem so, dass die Ausstiegsklausel in seinem Vertrag an eine zeitliche Frist gebunden war, weshalb wir schnell handeln mussten. Dass wir damit ein Zeichen sowohl nach innen als auch nach außen gesendet haben, war sicher ein guter Nebeneffekt. Grundsätzlich gilt bei uns aber: Genauigkeit vor Schnelligkeit. Wir wollen nur Spieler verpflichten, von denen wir nicht nur sportlich, sondern auch im Hinblick auf ihre Persönlichkeit überzeugt sind.
Darüber hinaus kamen auch einige Spieler, die in Deutschland noch nicht so bekannt waren. Wie seid Ihr auf diese gestoßen, beziehungsweise wie lief das Scouting ab?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um auf Spieler aufmerksam zu werden. Unser Scouting beschäftigt sich das ganze Jahr über mit interessanten Spielern im In- und Ausland und scoutet in verschiedenen Ländern. Es ist unser Job, potenzielle Spieler für den FC auf dem Zettel zu haben. Gleichzeitig werden einem tagtäglich auch Spieler angeboten. Hier gilt es, gut zu filtern, welche Spieler wirklich interessant sind und welche wir uns dann tatsächlich genauer anschauen. Und dann ist es für uns ganz wichtig, die Spieler persönlich kennenzulernen. Köln und der FC sind mit ihrer Wucht im positiven wie im negativen ein sehr spezielles Umfeld. Damit müssen Spieler, die wir verpflichten, umgehen können.
Was auffällt: Die FC-Mannschaft ist deutlich internationaler aufgestellt als zuletzt. Warum?
Es ist kein Geheimnis, dass wir in der Vergangenheit großen Wert darauf gelegt haben, dass unsere Spieler Deutsch sprechen oder die Sprache sehr schnell lernen können. Dieses Kriterium schränkt den Markt aber auch ein Stück weit ein. Deshalb haben wir uns dahingehend geöffnet. Aktuell wird noch viel Englisch in der Kabine gesprochen. Unsere Neuzugänge haben uns in den Gesprächen alle signalisiert, dass sie hier voll und ganz ankommen wollen. Und deshalb wollen sie Deutsch lernen. Und das merkt man auch, Cenk begrüßt mich immer mit ‘Guten Morgen, wie geht es Dir?’ (lacht). Das zeigt schon ganz gut, wie die Mannschaft drauf ist – und dass die Jungs die wichtigsten Fußballbegriffe verstehen, ergibt sich ganz automatisch in der tagtäglichen Arbeit auf dem Platz.
Für Rav van den Berg wurde eine für FC-Verhältnisse hohe Ablösesumme gezahlt. Zeigt dieser Transfer, dass der FC inzwischen wieder über andere Mittel verfügt als in den vergangenen Jahren?
Wir hatten in diesem Sommer wieder mehr Mittel zur Verfügung, ohne dabei in Saus und Braus leben zu können. Der FC ist in den vergangenen Jahren den Weg der finanziellen Konsolidierung gegangen und ist inzwischen auf einem stabilen Level angekommen. Dazu kamen verschiedene Transfereinnahmen. Mit dem Verkauf allen voran von Jonas Urbig im Winter sowie Damion Downs und Max Finkgräfe im Sommer, die alle bei uns in der FC-Akademie ausgebildet wurden, haben wir auch eine ordentliche Summe eingenommen. Gemeinsam mit meinen Geschäftsführer-Kollegen Philipp Türoff und Philipp Liesenfeld haben wir entschieden, dieses Geld bewusst in den Kader zu investieren, um unsere Wettbewerbsfähigkeit in der Bundesliga zu erhöhen.

Tut es dem Fußballromantiker Thomas Kessler auch weh, wenn sich Eigengewächse nicht für den Weg beim FC entscheiden?
Definitiv würden wir uns wünschen, dass möglichst viele Eigengewächse bei uns im RheinEnergieSTADION für die Profis auflaufen. Letztendlich muss es dafür aber auch immer eine Überzeugung auf Seiten des Spielers geben. Wenn wir diese nicht spüren und der Spieler den Wunsch äußert, sich zu verändern, dann müssen wir im Sinne des Clubs die beste Entscheidung treffen.
Wie plant Ihr zukünftig mit Spielern aus der FC-Akademie?
Der FC zählt seit vielen Jahren zu den besten Jugendakademien in Deutschland, was nicht zuletzt die U19-Meisterschaft im Sommer unterstrichen hat. Hier wird tagtäglich mit viel Expertise und Leidenschaft gearbeitet, damit die Spieler bestmöglich ausgebildet werden. In der Akademie werden die Grundlagen geschaffen, damit die Spieler die Chance erhalten, bei den Profis anzukommen. Wenn es soweit ist, sind die Jungs aber selbst dafür verantwortlich, diese Chance auch zu nutzen. Am Ende zählt im Profibereich das Leistungsprinzip.
Vier Spieler kamen per Leihe. Warum habt Ihr auch auf dieses Modell zurückgegriffen?
Im Wunschdenken würde man gerne alle Spieler fest verpflichten und sie lange an den 1. FC Köln binden. Das ist aber leider nicht die Realität. Man muss sich nur den nationalen und internationalen Transfermarkt anschauen, um zu sehen, dass Leihen inzwischen ein sehr gängiges Modell sind, sogar bei den absoluten Top-Clubs. Für uns ist eine Leihe dann interessant, wenn wir uns kurzfristig einen Qualitätsschub von einem Spieler versprechen, den wir anders in dem Moment vielleicht nicht bekommen könnten. Und – eine Leihe belastet das Budget nicht so sehr wie eine feste Verpflichtung, was nicht heißt, dass diese auf längere Sicht ausgeschlossen ist.
Welchen Weg habt Ihr den Neuzugängen aufgezeigt und wie ist es Euch gelungen, Sie vom FC zu überzeugen?
Es freut mich sehr, dass insbesondere die Neuzugänge nach den ersten Saisonspielen über die Stimmung und die Fans regelrecht ins Schwärmen gekommen sind. Das ist einer der großen Faktoren, mit denen wir Spieler vom Standort Köln überzeugen können. Du hast hier eine Millionenstadt, die für den FC lebt – und ein immer ausverkauftes RheinEnergieSTADION mit einer unglaublichen Stimmung. Neben der emotionalen Ebene zeigen wir den Spielern in den Gesprächen auch immer eine klare Perspektive und einen Plan auf, wie wir sie in unserer Mannschaft sehen und was wir mit ihnen vorhaben.

„Kessler kocht“ war der wohl beliebteste Kommentar in diesem Sommer unter den FC-Posts. Wie gehst Du damit um?
(lacht) Lustige Kommentare oder Memes bekomme ich natürlich auch mit, weil ich sie von Kollegen oder aus meinem Freundeskreis zugeschickt bekomme und kann darüber schmunzeln. Grundsätzlich sollte man sich aber selbst nicht zu wichtig nehmen und die Transferperiode ist immer auch eine Gemeinschaftsarbeit. Dass wir es geschafft haben, ein Stück weit eine kleine Euphorie zu entfachen und mit einer positiven Grundstimmung in die Saison zu starten, freut mich natürlich sehr.
Bei den vielen Neuerungen – gegen Mainz und Freiburg standen jeweils sechs Neuzugänge in der Startelf – gibt es auch Spieler, die nicht mehr dieselbe Rolle spielten wie in den vergangenen Jahren oder denen ein Wechsel nahegelegt wurde. Wie schwierig sind diese Entscheidungen für Dich und wie bist Du hier mit den Spielern im Austausch?
Es ist natürlich nie angenehm, diese Gespräche zu führen, es gehört aber dazu, sich auch um diese Themen zu kümmern. Das Wichtigste ist für mich dabei, dass man ehrlich zu den Spielern ist. Am Ende ist es unser übergeordnetes Ziel, den größtmöglichen Erfolg für den 1. FC Köln zu erreichen und hier gehören unangenehme Entscheidungen dazu. Es gilt im Umgang ohnehin immer zwischen dem Menschen und dem Spieler zu unterscheiden. Menschlich hat sich hier niemand etwas zuschulden kommen lassen. Sportlich bewegen wir uns aber in einem maximal leistungsorientierten Feld.
In Marvin Schwäbe und Ron-Robert Zieler gibt es ein neues Kapitäns-Duo. War dies nach den Jahren mit wenig Wandel im Team notwendig, um die Bildung einer neuen Hierarchie anzuschieben?
Wie eingangs schon erwähnt, galt es für uns nach zwei Jahren ohne große Bewegungen im Kader, der Mannschaft neue Impulse zu geben. Neben Transfers von außen kann dies auch durch eine neue Hierarchie innerhalb des Teams gelingen. Lukas Kwasniok hat die Vorbereitung genutzt, um sich ein Bild zu machen und dann eine ungewöhnliche, aus meiner Sicht aber sehr gute Entscheidung getroffen. Marvin hat sich das Kapitänsamt durch sein Standing im Team, seine Persönlichkeit und seine konstant guten Leistungen verdient. In Ron hat er einen Vertreter, der Weltmeister ist, ungemein viel Erfahrung mitbringt, im Training immer Gas gibt und aufgrund seiner Persönlichkeit innerhalb kürzester Zeit eine Führungsrolle in der Kabine eingenommen hat. Daneben sind aber auch die Spieler, die in der Vergangenheit schon Verantwortung übernommen haben, dazu aufgefordert, sich einzubringen. Das gilt genauso für unsere Neuzugänge, die zum Teil verschiedenste Erfahrungen mitbringen.
Abseits des FC: Wie blickst Du allgemein auf den Transferwahnsinn, der sich im Fußball abspielt, wenn beispielsweise Nick Woltemade für über 80 Millionen nach England wechselt?
Diese Zahlen sind schon irre und für den normalen Fan gar nicht mehr zu greifen.
Muss man sich Sorgen machen um die Konkurrenzfähigkeit der Bundesliga im internationalen Vergleich, insbesondere mit dem englischen Fußball?
Es ist ein Zeichen an die Bundesliga, wenn sich der FC Bayern einen aufstrebenden Nationalstürmer nicht mehr leisten kann oder will, während der Tabellenfünfte der Vorsaison aus England den Geldbeutel einfach aufmacht. Die Frage ist, kann die Bundesliga überhaupt mit dem englischen Markt wetteifern, bzw. will man das? Oder konzentrieren wir uns auf das, was die Bundesliga, aber auch die 2. Bundesliga richtig gut kann: spannender Wettbewerb, volle Stadien und gute Stimmung.
Zurück zum FC: In Lukas Kwasniok steht ein neuer Cheftrainer an der Seitenline. Was hast Du Dir von seiner Verpflichtung erhofft und was davon ist in den ersten Monaten bereits aufgegangen?
Wir wollten einen Trainer, der zum einen eine klare Idee verfolgt, wie er Fußball spielen lassen möchte. Lukas hat das in Paderborn eindrucksvoll über mehrere Jahre unter Beweis gestellt und stets das Maximale aus seiner Mannschaft herausgeholt. Zudem wollten wir einen Trainer, der zu diesem emotionalen Standort passt. Beides hat Lukas in seinen ersten Wochen hier bereits unter Beweis gestellt.
Emotionaler Trainer, emotionales Umfeld – ein perfekter Fit?
Das kann man so unterschreiben. Gleichzeitig gilt es für uns intern, auch immer die Balance zu bewahren und die Emotionen weder in die eine noch in die andere Richtung zu extrem ausschlagen zu lassen.

Welchen Fußball stellst Du Dir unter Lukas Kwasniok und allgemein für den FC vor?
Wir wollen einen aktiven Fußball spielen, der die Menschen begeistert. Denn, wie Lukas bereits mehrmals betont hat, befinden wir uns auch in einem Showbusiness und die Leute kommen am Wochenende auch deshalb ins Stadion, um unterhalten zu werden.
Als gebürtiger Kölner die Geschicke des 1. FC Köln leiten: Lebst Du gerade Deinen persönlichen Traum?
Das kann man definitiv so sagen. Es ist für mich jeden Tag etwas ganz Besonderes, wenn ich die Franz-Kremer-Allee entlang zum Geißbockheim fahre. Ich freue mich jeden Tag auf meine Arbeit und sehe es als Privileg, dass ich für diesen großartigen Club in entscheidender Funktion tätig sein darf, bei dem ich 1999 mit leuchtenden Augen zum ersten Mal beim Probetraining am Geißbockheim stand. Gleichzeitig spüre ich natürlich auch die Verantwortung, die mit meiner Position einhergeht und gebe jeden Tag mein Bestes, um dieser gerecht zu werden.
Hattest Du Respekt davor, die Aufgabe anzunehmen?
Am Ende der letzten Saison gab es keine lange Bedenkzeit, da galt es einfach, anzupacken und den Aufstieg über die Ziellinie zu bringen. Dass der Vorstand mir danach dauerhaft das Vertrauen geschenkt hat, hat mich sehr gefreut. Für meine Aufgabe helfen mir die Jahre als Profi und die Erfahrungen aus der Kabine. Ich habe schon immer gerne Verantwortung übernommen. Nach dem Karriereende durfte ich auf der Geschäftsstelle und im sportlichen Bereich wertvolle Erfahrungen sammeln sowie am Lehrgang Management im Profifußball von DFL und DFB teilnehmen. Ich fühle mich gut gerüstet für diese Aufgabe.
Das Interview ist zuerst im GeißbockEcho (Ausgabe 1, Saison 2025/26) erschienen. Weitere Hintergrundstorys zum FC lest Ihr hier im geschlossenen Mitgliederbereich.