Andre Bertelsmeier: Auf europäischer Bühne
Tischtennis-Talent Andre Bertelsmeier ist im Oktober bei der Herren-Europameisterschaft in Linz an den Start gegangen. Der 18-Jährige vertrat den 1. FC Köln dabei herausragend und schaffte es unter die Top-16 des Turniers.
Andre Bertelsmeier steht beim Aufschlag, er spielt den zweiten Ball mit der Rückhand zurück und rechnet dann fest mit einem Wechsel auf seine Vorhand. Der Ball kommt aber auf seine Rückhand-Seite. Geistesgegenwärtig bringt Bertelsmeier den Schläger hinter seinen Rücken und spielt den Ball zurück – ein unfassbarer Reflex. Sein Gegenspieler Felix Lebrun ist so überrascht, dass er den Ball nicht mehr zurückspielen kann. Es ist der Punkt zum 12:10 für Andre Bertelsmeier, er verkürzt nach Sätzen auf 1:2. „Dass ich mit einem unglaublichen Schlag einen Satz gewinnen konnte und die ganze Halle geklatscht hat – das war ein sehr schöner Moment“, sagt Bertelsmeier mit einigen Wochen Abstand.
Am Ende verliert er das Spiel gegen Lebrun, aktuell als bester Europäer in der Weltrangliste auf Platz vier, mit 1:4 Sätzen, doch der eine Satz bedeutet ihm schon sehr viel. Es ist die Weltspitze, mit der sich Bertelsmeier in diesem Oktober mit gerade einmal 18 Jahren messen darf. Erstmals reist er zu einer Herren-Europameisterschaft. Den Weg ins österreichische Linz tritt er ohne große Erwartungen an. „Ich wusste nicht, wie ich im Herren-Vergleich dastehe“, sagt er. Zuvor hatte er erst zwei internationale Herren-Turniere gespielt – eines lief sehr gut, das andere sehr schlecht. „Deshalb wusste ich nicht, was ich erwarten kann, ob ich die Qualifikation für die Hauptrunde überhaupt schaffe“, sagt Bertelsmeier, der sich über den dritten Platz bei der Junioren-EM qualifiziert hatte. „Ich wollte von Runde zu Runde schauen und habe nur von mir verlangt, jeden Moment zu genießen und möglichst viel von den Stars zu lernen.“
Bertelsmeier: „Unglaubliches Turnier"
Der Satzgewinn gegen den Franzosen Lebrun war nur einer von vielen schönen Momenten bei diesem Turnier. Den 4:3-Sieg in der ersten Hauptrunde gegen Lilian Bardet, als er sechs Matchbälle vergab, den siebten aber nutzte, nennt er ebenso wie den Sieg über den Rumänen Ovidiu Ionescu im Achtelfinale, einen ehemaligen EM-Finalisten. Mit dem Viertelfinale und damit den Top-16 Europas schneidet Bertelsmeier stärker ab, als er erhofft hatte: „Auch mit etwas Abstand ist es immer noch ein unglaubliches Turnier. Ich konnte viel lernen und bin einfach glücklich, dass ich meine erste Herren-EM so positiv gestalten konnte.“
Als er im Spiel gegen Bardet nach Sätzen 2:1 führte, war er so richtig im Turnier angekommen. „In der Quali hatte ich zwar schon das Gefühl, dass ich mithalten kann, hatte aber auch ein bisschen Losglück und konnte es nicht ganz einschätzen.“ Gegen Bardet sei dann auch der Knoten in puncto Nervosität geplatzt: „Ich habe gemerkt, dass ich sehr gut spiele und das Tempo mitgehen kann. Von da an war ich sehr ruhig und konzentriert. Es galt: offenes Visier.“ Das durch gute Ergebnisse zuvor ohnehin schon große Selbstbewusstsein wurde von Ball zu Ball größer. „Irgendwann kommt man in einen richtigen Flow“, erzählt Bertelsmeier.
EM als Motivation
Ein großer Unterschied waren für ihn die Zuschauer. Bei Jugendturnieren sind es nur wenige, die meisten davon Eltern der Spieler. Bei der EM sind schon am ersten Hauptrundentag ein paar hundert Fans in der Halle. „Auch wenn der Fokus immer am Tisch ist, hat es etwas Beflügelndes, wenn die Leute nach jedem Punkt klatschen. Das gibt dir Mut und Selbstvertrauen.“
Das ganze Turnier macht Lust auf mehr. „Es gibt auf jeden Fall Motivation. Ich habe gemerkt, dass ich nicht so weit weg bin wie ich manchmal denke“, sagt Bertelsmeier, der sich nach dem erfolgreichen Abitur seit diesem Sommer voll dem Tischtennis widmet. „Ich habe gesehen, dass ich auf einem sehr guten Weg bin und eine gute Entwicklung hinter mir habe. Jetzt darf ich aber nicht aufhören, denn ich bin noch lange nicht gut genug, um konstant auf diesem Level zu spielen.“
Der Text über Andre Bertelsmeier ist zuerst im GeißbockEcho #2 der Saison 2024/25 erschienen. Die Ausgabe ist gedruckt und hier im geschlossenen Mitgliederbereich verfügbar.