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Denis Huseinbasic: Loyaler Arbeiter

24.11.2024

50 Bundesligaspiele hat Denis Huseinbasic in den vergangenen zweieinhalb Jahre bestritten, er hat eine U21-Europameisterschaft mit Deutschland gespielt und ist aktueller A-Nationalspieler Bosniens. Es ist eine nahezu kometenhafte Entwicklung eines Fußballers, der vor zweieinhalb Jahren noch in der vierten Liga gespielt hat und dessen Traum von der großen Fußballerkarriere schon einmal geplatzt schien.

Es ist das Jahr 2017. Denis Huseinbasic ist ein talentierter junger Fußballer, 16 Jahre alt, er spielt für Eintracht Frankfurt. Im Frühjahr, wenn im Nachwuchsfußball die Entscheidungen getroffen werden, für welche Talente der Weg weitergeht und für welche der Traum (vorerst) endet, sitzt Denis ­Huseinbasic mit seiner Mutter im Besprechungszimmer. ­Ihnen wird mitgeteilt, dass der Weg bei Eintracht Frankfurt für ihn zu Ende geht. An mehr Inhalte aus diesem Gespräch kann er sich heute nicht mehr erinnern, nach der Verkündung der Entscheidung hat er nicht mehr wirklich zugehört. Die Gründe sind damals vor allem, dass er körperlich zu schmächtig ist, um es nach oben zu schaffen.

Huseinbasic ist am Scheideweg. Heute sieht er in diesem Moment eine wichtige Wendung in seiner Laufbahn. ­„Damals war ich im ersten Moment natürlich am Boden ­zerstört“, sagt er. Im Nachhinein, ist er heute überzeugt, war es die beste Entscheidung für ihn, dass er bei der ­Eintracht nicht übernommen wurde. „Das hat mich geprägt“, sagt er rückblickend. „Ich wollte jedem zeigen, was in mir steckt und dass ich es trotzdem schaffen kann. Ich habe mir ­geschworen, dass ich weiter hart arbeite und nicht ­aufhöre.“ Er wechselt zu den Kickers nach Offenbach, wo er in der Folge aufblüht. „Es war richtig familiär. Dass ich mich wohlfühle, ist für mich am wichtigsten, auch wenn es vielleicht erst einmal ein Schritt zurück war“, blickt der 23-Jährige heute auf diese Zeit zurück.

Aufzugeben war für Huseinbasic in dieser Phase keine ­Option. Es ist für ihn ohnehin nie eine Option. „Samo Dalje“ trägt er als Tattoo auf seinem Körper – das ist bosnisch und bedeutet auf Deutsch: Immer weiter. „Ich habe noch nie aufgegeben. Es gibt immer jemanden, der an dich glaubt, am meisten musst du aber an dich selbst glauben“, erklärt Huseinbasic eine Einstellung, die er von den Eltern gelernt hat und die ihm im Fußball heute hilft.

Huseinbasics Eltern kommen beide aus Bosnien, haben sich in Deutschland kennengelernt und sind hier geblieben. Denis ist in Erbach im Odenwald geboren und im Nachbarort Michelstadt aufgewachsen, das liegt auf circa halber Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim. Er hat einen großen ­Bruder, mit dem er früh angefangen hat, zusammen Fußball zu spielen. „Ich hatte eine tolle Kindheit, mir hat es an nichts gefehlt“, sagt er.

Herz-Entscheidung für Bosnien

Bis er 18 Jahre alt ist, fährt er jedes Jahr zu Oma und Opa nach Bosnien. Er kann die Sprache und kennt die Kultur. Anfang dieses Jahres steht er vor einer wichtigen Entscheidung. Spielt er, wie in den Nachwuchs-Auswahlteams, weiter für Deutschland oder läuft er zukünftig für die bosnische Nationalmannschaft auf? Huseinbasic lässt sich Zeit mit der Entscheidung und hört auf sein Gefühl. „Am Ende hat mir mein Herz gesagt, dass ich für Bosnien spielen will“, sagt er.

Im Juni lief er erstmals für das Geburtsland seiner Eltern auf – und spielte im September an der Seite seines großen Kindheitsidols Edin Dzeko. Als der Stürmer für den VfL Wolfsburg gespielt hat, hatte Huseinbasic ein Trikot von ihm. „Mit ihm auf dem Platz zu stehen, ist etwas Besonderes“, sagt er. Dzeko spielt auch mit 39 Jahren noch auf sehr hohem ­Niveau, er ist in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für Huseinbasic, beispielsweise wie man seinen Körper pflegt und das Maximum aus sich und seiner Karriere herausholt. Im Oktober folgt das nächste Highlight mit der Nationalmannschaft, als er in der Nations League gegen sein Geburtsland Deutschland auf dem Platz steht. „Wir wollten als kleineres Land ­gegen Deutschland zeigen, was in uns steckt“, sagt Huseinbasic. „Ich war stolz und glücklich, es war ein sehr schönes Gefühl.“ Am Ende steht eine knappe 1:2-Niederlage.

Ob er sich manchmal kneifen muss ob dieser Entwicklung vom Regionalliga-Kicker zum Bundesliga- und National­spieler? „Wenn ich ja sage, würde ich lügen. Ich habe immer an mich geglaubt, meine Familie hat immer an mich geglaubt“, sagt Huseinbasic. Dass es so gekommen ist, hat ihn weniger überrascht, nur das Tempo war vielleicht etwas schneller als erwartet.

„Bei der Verpflichtung von Deni hatte ich ein richtig gutes Gefühl“, blickt FC-Geschäftsführer Christian Keller auf den Sommer 2022 zurück. Er kannte Huseinbasic bereits aus seiner Tätigkeit in Regensburg und hatte die Entwicklung des Talents vor der Verpflichtung über eineinhalb Jahre eng verfolgt. Auch Kellers sportliche Mitstreiter im Scouting des FC kannten Huseinbasic bereits und trauten ihm einiges zu. „Er war in den Basistechniken so sauber, dass wir überzeugt waren, dass es für die Bundesliga reicht. Dazu war er bei Themen wie der wiederholten Sprintfähigkeit und der Ausdauerfähigkeit erkennbar gut und zudem schnell im Kopf“, zählt Keller auf. Gefehlt hätten ihm zu diesem Zeitpunkt noch die Faktoren Körperlichkeit und Spielintensität. „Aber das sind zwei Komponenten, die man in seinem Alter noch lernen kann“, sagt Keller.

Die Voraussetzungen waren also gegeben für den Sprung über drei Ligen hinweg. Dass dieser tatsächlich gelang, hat für Keller zu einem Großteil mit Huseinbasics Persönlichkeit zu tun: „Der Hauptgrund ist wahrscheinlich, dass Deni ein hohes Maß an Offenheit mitbringt, um Feedback und Lernimpulse anzunehmen und diese konstant umzusetzen. Deni ist sehr ehrgeizig und hat eine große Siegermentalität. Er gibt nie auf, will immer gewinnen und ist bereit, diesem Ziel vieles unterzuordnen.“

„Der Fußball hat mir immer alles gegeben“

Für Denis Huseinbasic gab es immer nur den Fußball. Mit neun Jahren ist er in den Nachwuchs des SV Darmstadt 98 gewechselt, zwei Jahre später nach Frankfurt, noch einmal weiter von zu Hause weg. Alles verbunden mit einem enormen Aufwand. „Ich habe dem Fußball immer alles untergeordnet“, blickt er zurück. Mit einer Fahrgemeinschaft ging’s zum Training, teilweise viermal die Woche. „Für mich war das nie ein Problem, weil ich den Fußball einfach immer geliebt habe“, sagt Huseinbasic und ist seinen Eltern bis heute dankbar, dass sie ihn bei dem Weg unterstützt haben. Auch ein Antrieb für ihn auf dem weiteren Weg: „Ich wollte meine Eltern stolz machen nach allem, was sie für mich gemacht haben.“ Ob er das Gefühl hatte, auf etwas zu verzichten in seiner Jugend? „Nein, der Fußball hat mir immer alles gegeben.“

In Offenbach entwickelt sich der Mittelfeldspieler gut, darf mit 19 Jahren beim Regionalliga-Team mittrainieren und bekommt erste Kurzeinsätze. Richtig durchsetzen kann er sich aber zunächst nicht. Das ändert sich – wie bei so vielen ­Fußballerkarrieren – als ein neuer Trainer kommt, der etwas Besonderes in ihm sieht: Sreto Ristic. Als mit Tunay Deniz ein Stammspieler gesperrt ausfällt, wirft er Huseinbasic rein und ist schnell begeistert. „Wenn wir Spieler haben, die noch besser sind als Denis, dann werden wir mehr Spaß haben als gedacht“, sagt er damals intern. Die Spielzeiten des jungen Mittelfeldtalents werden mehr und mehr, bis er schließlich die letzten zwölf Saisonspiele alle über die vollen 90 Minuten spielt. Huseinbasic spürt das Vertrauen von Ristic und es beflügelt ihn. „Vertrauen ist auf dem Platz das Wichtigste. Wenn dir der Trainer komplett den Rücken stärkt, dann agierst du anders und selbstbewusster.“

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Ristic schätzt Huseinbasic sehr, wie er im Gespräch erzählt. „Für mich war die Art und Weise, wie der die Aufgaben angenommen hat, beeindruckend. Leidenschaft, Mentalität – das sind Aspekte, die kann man nicht ­messen, die muss man sehen und fühlen.“ Den Willen seines Schützlings hat er in seiner Anfangszeit in Offenbach gleich gemerkt. Huseinbasic wurde in einem Spiel am Sprunggelenk verletzt und Ristic war sich sicher, dass er im nächsten Spiel nicht würde spielen können. Huseinbasic versicherte ihm das Gegenteil und stand auf dem Trainingsplatz. „Obwohl er kaum in den Schuh gekommen ist und kaum stehen konnte, wollte er die Physios noch überzeugen, dass er spielen kann“, erinnert sich Ristic. „Ich hatte endlich gespielt und wollte das nicht wieder aufs Spiel setzen“, sagt Huseinbasic. Am Ende siegte die Vernunft und er spielte nicht. „Deni ist ein Spieler, auf den ich mich immer zu 100 Prozent verlassen konnte. Ein dankbarer Spieler für jeden Trainer und ein herausragender Junge, der auch einen gewissen Witz mit sich bringt“, sagt sein ehemaliger Coach.

Luka Garic hat Huseinbasic in Offenbach ebenfalls eng begleitet. Er ist ein Jahr älter und war sein Mitspieler, er hat den Sprung in den Herrenfußball ein Jahr früher gemacht. Aus Mitspielern wurden mit der Zeit Freunde, die die gleichen Interessen teilen und bereits gemeinsam in den Urlaub fuhren. „Er ist ein absoluter Herzensmensch, was man im ersten Moment vielleicht gar nicht so über ihn denkt“, sagt Garic. Auch heute sind die beiden noch in Kontakt und der ehemalige Mitspieler bescheinigt Huseinbasic, dass er charakterlich so geblieben ist wie er schon zur Offenbach-Zeit war. „Er ist genauso wie früher, Deni könnte sich auch gar nicht ­verstellen.“ Garic hat hautnah verfolgt, wie sich sein Kumpel immer mehr in den Fokus gespielt hat. „Anfangs musste er sich ein bisschen anpassen, was ganz normal ist, wenn man aus dem Nachwuchs kommt. Aber jeder hat sofort gesehen, dass er kicken kann. Und als er die Chance bekommen hat, war schnell klar, dass er sich das nicht mehr nehmen lässt.“

Huseinbasic entwickelt sich prächtig. Nach viel Spielzeit am Ende des ersten Jahres spielt er im zweiten Herren-Jahr fast immer von Beginn an und mit den Kickers eine gute Runde, die auf Rang drei endet, nur knapp hinter den heutigen Zweitligisten Ulm und Elversberg. Wie es weitergeht, darüber hat sich Huseinbasic nicht wirklich einen Kopf gemacht. „Mein Motto war: Genieße den Moment. Und wenn ein gutes Angebot kommt, dann kommt es, aber ich muss nichts erzwingen.“ Das gute Angebot kam, mit dem 1. FC Köln klopfte sogar ein Bundesligist an.

Geduld zahlt sich aus

Dass Huseinbasic sogar den Schritt in die Bundesliga schafft, hat Garic nicht wirklich überrascht: „Ich hatte sofort das Gefühl, dass es schneller gehen könnte, als manche beim Wechsel gedacht haben. Ich war ­überzeugt, dass er schnell eine gute Rolle spielen kann.“ Schon im Jahr zuvor hatte Huseinbasic Angebote aus der 2. Bundesliga. Doch er hörte auf Sreto Ristic und den Sportdirektor des OFC, die ihm vorhersagten, dass ein Jahr später noch bessere Angebote kommen würden. „Ich habe mich zudem in Offenbach sehr wohlgefühlt, das ist wie ­Heimat für mich.“ Das Warten sollte sich ­lohnen. Überrascht sei er nicht gewesen vom Angebot des FC, sagt Huseinbasic. „Aber es ist schon besonders, wenn man plötzlich mit Spielern wie Jonas Hector oder Mark Uth auf dem Trainingsplatz steht“, sagt er. Respekt hatte er, Furcht vor dem Schritt aber nicht: „Ich habe einfach mein Spiel gespielt, das mich stark gemacht und in diese Situation gebracht hat.“

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Das ganze Porträt über Denis Huseinbasic lest Ihr in der neuen Ausgabe des GeißbockEchos (Nr. 2, Saison 2024/25). Diese ist gedruckt und online im geschlossenen Mitgliederbereich verfügbar.

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