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Hart & herzlich: Gerhard Struber im Interview

28.7.2024

Gerhard Struber ist der neue Cheftrainer des 1. FC Köln. Sein beruflicher Weg führte den österreichischen ­Ex-Profi ­zwischenzeitlich weg vom ­Fußball. Eine besondere Frage seiner Frau führte dazu, dass er im Trainerjob landete und über Stationen in England und den USA nun in Köln ­angekommen ist. Im Interview spricht er darüber, was ihn auf diesem Weg geprägt hat, über Entscheidungen und Führung.

Hart in der Sache, herzlich im Umgang – so präsentiert sich Gerhard Struber in seinen ersten Wochen als neuer Cheftrainer des 1. FC Köln. Nach einem schweren Jahr, das mit dem Abstieg aus der Bundesliga endete, soll der 47-jährige Österreicher mit seinem Trainerteam die FC-Profis wieder in eine ­positive Richtung lenken und das Ziel, den schnellstmöglichen Wiederaufstieg, angehen. Struber will begeistern, seine Spieler und die FC-Fans. Dafür scheut er auch die nötige konsequente Linie nicht. Zum Interview mit dem GeißbockEcho trifft er sich in der Woche vor dem Trainingslager in seinem Heimatland. Eine Woche, in der die ersten personellen Entscheidungen während der Vorbereitung getroffen werden müssen, um den ­großen Kader auf ein gesundes Maß zu verkleinern.

Gerhard, wie gehst Du als Trainer mit schwierigen Entscheidungen um?

Gerhard Struber: Fakten spielen bei Entscheidungen natürlich eine große Rolle. Ich bin aber auch ein Trainer, der dem Bauchgefühl viel Platz einräumt. Ich tausche mich mit meinen engsten Vertrauten im Verein aus und treffe dann die Entscheidungen, die sicher nicht immer ganz einfach, aber notwendig sind.

Wie vermittelst Du Deine Entscheidungen?

Mir ist es wichtig, den Jungs die Gründe ­hinter einer Entscheidung transparent ­mitzuteilen und ihnen gleichzeitig einen Weg aufzuzeigen, wie für sie beispielsweise ein Weg zurück in den Kader oder in die erste Elf aussehen kann. Ich erkläre ihnen ­dabei auch, was ich von ihnen verlange.

Du hast das Bauchgefühl angesprochen. Wie groß ist dieser Anteil bei Deinen ­Entscheidungen?

Einerseits bin ich ein Mensch, der sich viel mit Logik auseinandersetzt und fakten­basiert argumentiert. Gleichzeitig sagt mir meine Erfahrung im Trainerjob, dass man auch das Bauchgefühl immer sehr ernstnehmen sollte. Man trifft nicht immer die richtigen Entscheidungen. Ich habe aber die ­Erfahrung gemacht, dass eine Entscheidung oft Erfolg bringt, wenn man bereits ein gutes Bauchgefühl hat. Wichtig ist dabei, die harten ­Fakten nicht zu vernachlässigen.

Mit Klarheit und Verständnis – so hast Du Deinen Führungsstil beschrieben, als Du 2019 Trainer in Wolfsberg wurdest. Trifft diese Beschreibung nach wie vor zu?

Ja. Ich habe als Trainer auf der einen Seite meine Überzeugungen, bin in der Sache sehr klar und auch hart. Gleich­zeitig habe ich für den Menschen, den Spieler, den Kollegen, den Mitarbeiter auch sehr viel Verständnis. Das braucht es, wenn man etwas entwickeln will, denn es gibt sehr viele ­Einflussfaktoren, warum es beispielsweise einem Spieler mal mehr oder weniger gut geht. Darauf muss man Rücksicht nehmen und immer einen guten Austausch pflegen.

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Führung ist auch innerhalb einer Mannschaft ein wichtiges Thema. Die Kapitänsfrage hast Du während der Vorbereitung zunächst offengelassen, Dich nun für Timo Hübers entschieden. Was muss ein guter Führungsspieler beziehungsweise Kapitän mitbringen?

Wer führen will, muss wissen, dass man eine riesige Verantwortung hat. Eine Verpflichtung gegenüber der Mannschaft, dem Verein, den Mitarbeitern, den Fans. Die Frage ist, wie jemand mit dieser Verantwortung umgeht. Der eine kann das weniger, der andere trägt gerne Verantwortung. Gerade in schwierigen Momenten ist es beispielsweise wichtig, dass Manager, Trainer und Führungsspieler stabil bleiben und nicht in Aktionismus verfallen. Es ist wichtig, zu reflektieren, aber auch vom eigenen Weg überzeugt zu sein und diesen konsequent zu gehen.

Hast Du das Gefühl, der FC-Kader besitzt diese Führungsspieler?

Ich glaube schon, dass wir interessante Jungs dafür im ­Kader haben. Gleichzeitig sind das junge Menschen und Spieler, die sich auch in solche Rollen hinein entwickeln müssen. Führungsstärke ist dabei oft keine Frage des ­Alters. Es geht darum, wie mutig und verantwortungsvoll ­jemand ist. Davon werde ich mir im Laufe der Vorbereitung mein eigenes Bild machen.

Das heißt, Du versuchst manche Spieler auch bewusst in Rollen mit mehr Verantwortung zu schieben?

Das muss ich machen, um genau dieses Gefühl zu bekommen. Die Frage ist, wer kann gut mit dieser Verantwortung um­gehen? Das ist für mich die Voraussetzung, um den Kapitän auszuwählen, der für diese Situation, diese Mannschaft und den Club der richtige ist. Mann kann während einer ­Vorbereitung nicht simulieren, wie jemand mit maximalem Stress bei einem Heimspiel vor 50.000 umgeht. Aber ich habe das Gefühl, dass wir einige sehr stabile Persönlich­keiten in der Mannschaft haben.

Eine Mannschaft besteht nicht nur aus Führungsspielern. Wie sieht für Dich eine gesunde Mannschaftsstruktur aus?

Man braucht immer einen sehr guten Mix. Es ist wichtig, Jungs zu haben, die die Verantwortung tragen. Es gibt aber auch Spieler, die jünger oder allgemein mehr bei sich sind. Es geht um einen Mix aus Erfahrung und hungrigen jungen Spielern, die ein Stück weit Unbekümmertheit mitbringen. Und dann lebt ein Team auch immer von Diversität, von ganz unterschiedlichen Charakteren. Genau das ist das Schöne am Mannschaftssport, eine solche Gruppe in eine gemeinsame Richtung zu bringen und als Team zu entwickeln.

Du sprichst die jungen Spieler an und hast selbst als ­Trainer im Nachwuchs gearbeitet. Wie viel Lust hast Du darauf, auch hier beim FC die spannenden Talente bei ihren ersten Schritten im Profifußball zu begleiten?

Für mich ist das ein Stück weit Normalität, weil ich aus einer Struktur komme, in der es üblich war, junge Spieler zu ent­wickeln und sie auch ins kalte Wasser zu werfen. Dann sieht man, wie sie damit umgehen und ob sie sich freischwimmen. Es gibt – da muss man sich nichts vormachen – aber natürlich auch Spieler, die dem Druck im Profibereich nicht standhalten. Letztlich geht es darum, zu performen und Leistung zu bringen. Die Tür steht denjenigen Spielern weit offen, die bereit sind zu liefern und alles in die Waagschale zu werfen. Dann bin ich ein Trainer, der 24/7 versucht, die Spieler zu ­unterstützen. Das muss man sich aber auch verdienen. Ein junger Spieler bekommt von mir ebenso wenig etwas ­geschenkt wie ein gestandener Spieler.

Was verlangst Du denn allgemein von einer Mannschaft in der täglichen Arbeit?

Ich schätze es sehr, wenn Verantwortung übernommen wird, wenn man nicht nur redet, sondern Taten folgen lässt. „Action makes the difference“, heißt es so schön. Dabei geht es mir nicht um einen perfektionistischen Ansatz, im Gegenteil. Ich bin ein Trainer, der gut mit Fehlern leben kann, wenn sie aus einem mutigen Ansatz heraus entstehen und nicht wiederholt werden. Das Wichtigste, das ich von den Spielern einfordere, ist ein großer Invest. Die Spieler müssen bereit sein, auch über Grenzen zu gehen, sich einzusetzen für den Club und unsere Ziele. Wenn ich das merke, hat ein Spieler bei mir einen Stein im Brett und dann können die Jungs auch von mir extrem viel erwarten. Mein Trainerteam und ich sind sehr fleißig und versuchen die Mannschaft in vielen Dingen zu unterstützen. Wir schauen als Trainerteam aber auch genau hin, wer in dem Umfang liefert, wie wir uns das vorstellen.

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Du warst selbst Profi, wirst als schneller und laufstarker Spieler beschrieben. Würde der Spieler Gerhard Struber also ganz gut zum Trainer Gerhard Struber passen?

Ich war tatsächlich ein schneller Spieler (lacht). Es ist mittlerweile unumgänglich, dass man eine gewisse Dynamik mitbringt, insbesondere auch für den Spielstil, den wir hier pflegen wollen. Ich wünsche mir Spieler, die auf der einen Seite Dynamik und Schnelligkeit mitbringen, die aber ­natürlich auch eine gute Spielintelligenz und Technik haben. Denn je dynamischer das Spiel ist, desto wichtiger wird der technische Aspekt, weil alles noch schneller abläuft.

Wie blickst Du auf Deine Zeit als Spieler zurück?

Ich hatte eine schöne Laufbahn und das Glück, in einer richtig guten Mannschaft zu spielen mit zur damaligen Zeit in Österreich großen Spielern. Ich durfte als junger Spieler dabei sein, Erfolge feiern und lernen, was es heißt, abzuliefern.

Du wurdest mit Salzburg zweimal Meister in Österreich. Was zeichnet eine erfolg­reiche Mannschaft aus?

Zusammenhalt. Das hört sich nicht besonders an, macht aus meiner Sicht aber tatsächlich den Unterschied. Wenn man nicht nur vom Team spricht, sondern als Team ­arbeitet und eine gute Beziehung untereinander hat. Es muss sich gut anfühlen, dann ist das Team die Eintrittskarte zum Erfolg.

Du musstest Deine Karriere unter anderem nach zwei Kreuzbandrissen früh beenden. Wie bist Du damit umgegangen?

Da ich sehr jung schon die beiden Kreuzbandrisse hatte, hat es sich ein Stück weit abgezeichnet. Als ich beim LASK gespielt habe, konnte ich unter der Woche kaum noch ins Mannschaftstraining einsteigen, sondern musste individuell arbeiten. Ich war nicht mehr so leistungsfähig und wollte mich auf dem Niveau so nicht mehr präsentieren. Damals gab es auch noch nicht die Therapiemöglichkeiten von heute. Deshalb habe ich die professionellen Fußballschuhe an den Nagel gehängt und nur noch unterklassig gespielt. Das Herz für den Fußball habe ich aber nie verloren.

Beruflich hast Du dann allerdings zunächst einen ganz anderen Weg eingeschlagen.

Das stimmt. Meine Trainerscheine habe ich zwar früh gemacht – damals war es aber nicht üblich, mit Ende 20 als Trainer zu ­arbeiten. Dann bin ich erstmal in die ­Privatwirtschaft gegangen und habe in der Versicherungsbranche gearbeitet. Ich war also schon mit mehr als einem Fuß raus dem Fußballbusiness. Da ich in der Ver­sicherungsbranche einige Schritte gemacht hatte, war die Zeit für den Fußball irgendwann nicht mehr da. So war ich zwischendurch drei Jahre komplett weg davon, habe BWL studiert und hatte fest den Weg in die Wirtschaft vor.

Dann kam eine Anfrage Deines Heimatclubs SV Kuchl …

Der Verein steckte damals im Abstiegskampf in der vierten Liga und ich wurde gefragt, ob ich helfen würde. Aus Verbundenheit habe ich das gemacht, wir haben den Klassen­erhalt geschafft und ich habe gemerkt, wie viel Spaß mir die Arbeit als Trainer macht.

Der nächste Wegweiser war Ralf Rangnick, richtig?

Genau. Wir haben ein Testspiel gegen RB Salzburg bestritten und haben uns richtig gut präsentiert. Ralf war angetan davon und hat mir ein Angebot gemacht, haupt­beruflich als Cheftrainer in der Akademie zu arbeiten. Logisch war der Schritt damals nicht. Ich hatte ein abgeschlossenes ­Studium und eine gute Perspektive in einem Versicherungsunternehmen. Es hat kaum jemand verstanden, dass ich den Schritt ­zurück in den Fußball machen möchte. Eine Frage meiner Frau hat mich aber schließlich davon überzeugt.

Wie lautete die Frage?

Wenn Du nur noch ein Jahr zu leben hättest, wofür würdest Du Dich entscheiden? Da war die Antwort klar: Fußball.

Das Interview mit Gerhard Struber ist die Titelstory der ersten GeißbockEcho-Ausgabe der neuen Saison. Das ganze Interview und viele weitere Inhalte rund um den FC lest Ihr in der digitalen Ausgabe im geschlossenen Mitgliederbereich.

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