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Christian Keller: „Das sollte Ansporn für uns sein“

28.12.2024

Transfersperre, Abstieg, zwischenzeitlich im Mittelfeld der 2. Bundesliga – hinter dem 1. FC Köln liegt ein Jahr mit zahlreichen Herausforderungen, das durch die Herbstmeisterschaft einen versöhnlichen Abschluss gefunden hat. FC-Geschäftsführer Christian Keller blickt im ersten Teil des ausführlichen Interviews auf das Jahr zurück, spricht über den Umgang mit Kritik und schwierigen Phasen, den Zusammenhalt des Teams sowie seine positiven Momente des Jahres.

Neun Spiele ungeschlagen, acht davon gewonnen, Herbstmeister. Mit welchen Gefühlen bist Du in die Weihnachtszeit gegangen, Christian?

Christian Keller: Mein Weihnachtsgefühl wird nicht primär durch den Fußball bestimmt. Für mich ist es ein schöner Anlass, um die Familie zu sehen und auch ein bisschen zur Ruhe zu kommen, einmal im Rahmen des Möglichen „fußballfrei“ zu haben. Wenn ich das Gefühl auf den FC beziehe, dann war es in Kaiserslautern ein sehr schönes Weihnachtsgeschenk, dass wir die positive Serie fortgesetzt haben. Gleichzeitig sollte die nun geschaffene Ausgangslage Ansporn für uns sein, im neuen Jahr daran anzuknüpfen.

Wie ordnest Du diese positive Serie in den Gesamtkontext der bisherigen Saison ein?

Wir wissen, dass wir zu Saisonbeginn zu viele Punkte haben liegen lassen – trotz größtenteils guten bis sehr guten Leistungen. Das Jahresende war für die Momentaufnahme versöhnlich. Aber wir sind noch lange nicht am Ziel.

Kannst Du in der Weihnachtszeit wirklich ein bisschen abschalten oder fällt es Dir schwer, einmal gar nicht an Fußball zu denken?

Ich kann schon ohne Fußball sein und abschalten. Allerdings ist es bei den drei Weihnachtstagen geblieben, die ich dafür nutzen konnte. Es gab bis Weihnachten einiges zu tun und direkt nach Weihnachten ging es weiter, es stehen diverse Themen an.

Wie lässt Du das Jahr für Dich persönlich Revue passieren?

Ich mache das immer an Silvester und Neujahr. Ich überlege dabei, was gut war und was ich hätte besser machen können und sollen. Ich bin niemand, der mit klassischen Neujahrsvorsätzen ins neue Jahr geht, es ist eher eine Reflexion dessen, was passiert ist. Verbunden mit einem inneren Dankeschön und – nachdem ich gläubig bin – auch einem Dankeschön nach oben, und zwar unabhängig davon, was beruflich im abgelaufenen Jahr alles passiert ist.

Der Untertitel der neuen FC-Doku „Geliebter Fußballclub“ lautet „Das Jahr der Herausforderung“. Welche von vielen Herausforderungen war für Dich denn die größte im vergangenen Jahr?

Wir hatten viele Herausforderungen, deshalb tue ich mich schwer, hier für eine den Superlativ zu verwenden. Aber die Transfersperre in Kombination mit dem Abstieg war sicher eine Aufgabe, die so noch kein Club zu bewältigen hatte. Das war eine massive Herausforderung und hält auch bis heute an.

Trotz dieser Ausgangslage konnte im Sommer fast die gesamte Mannschaft gehalten werden.

Das war ein elementarer Meilenstein. Beginnend bei den Spielern, die Verantwortung gezeigt haben, bis zu denjenigen, die immer an die Mannschaft geglaubt haben. Das verdeutlicht – bei allem, was sportlich sicher hätte besser laufen können im vergangenen Jahr – dass der interne Zusammenhalt enorm sowie Identifikation mit und Bekenntnis zum FC groß sind.

In dieser Phase wurden extern Schreckensszenarien gemalt. Beginnend, dass kaum Spieler bleiben bis hin zum Abstieg in die 3. Liga. Gab es Momente, in denen auch Du Zweifel hattest, dass man die Herausforderungen gut lösen kann?

Nein. Ich war immer davon überzeugt, dass wir die Herausforderungen gemeinsam meistern können. Mit den Spielern war ich über einen längeren Zeitraum im Austausch und wir haben auch immer darüber gesprochen, was passiert, wenn wir runter gehen – obwohl wir bis zum Schluss daran geglaubt haben, dass wir den Klassenerhalt schaffen können. Ich war sicher, dass die wesentlichen Protagonisten Verantwortung übernehmen und am Schluss diese Verantwortungsübernahme auch positive Effekte auf die ganze Mannschaft haben wird. Der eine oder andere Spieler hätte trotz einer schlechten vergangenen Saison sicher Optionen gehabt, den FC auch zu verlassen.

Auch wenn der Abstieg am Ende nicht mehr überraschend kam: Wie war die Gefühlslage bei Dir, als es nach dem Spiel in Heidenheim feststand?

Leider hat man nach fünf Minuten in diesem Spiel schon gesehen, wohin es läuft. Es war dann gar nicht in erster Linie Enttäuschung, es war eher eine Fassungslosigkeit über unsere Leistung in einem so wichtigen Spiel. In den Tagen danach hat es mich dann richtig angekotzt, weil der Abstieg natürlich nicht meinem Selbstverständnis entspricht. Das hat mich auch wütend gemacht. Ich habe mir aber auch sofort gesagt, dass wir den Abstieg gemeinsam wieder ausmerzen und darauf alle Energie legen müssen.

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Du warst lange überzeugt vom Klassenerhalt. Welche Faktoren haben letztlich doch zum Abstieg geführt?

Es ist eine Summe aus vielen verschiedenen Faktoren. Das Ergebnis im Fußball ist meist ein komplexes Abbild. Ein Punkt war sicher, dass wir zu ungünstigen Zeitpunkten viele Verletzte hatten, wenn ich nur daran denke, wie wenig Spiele Luca Waldschmidt, Davie Selke und Mark Uth zusammen in der Rückrunde bestreiten konnten. Ein weiterer Faktor war, dass etliche Spieler mit der Drucksituation, unbedingt gewinnen zu müssen, nicht umgehen konnten. Nur so kann eine Nicht-Leistung wie in Heidenheim und auch einigen anderen Spielen davor zustande kommen. Die Spieler wollten grundsätzlich alle, aber sie konnten oftmals nicht, weil der Kopf die Beine schwer gemacht hat. Auch die Transfersperre war ein Faktor. Wir konnten im Sommer nicht so gezielt agieren, wie wir uns vorbereitet hatten und im Winter dann gar nichts mehr machen.

Im Sommer war es – wenn auch größtenteils mit dem gleichen Personal – eine Art Restart. Anfangs wurde oft begeisternder Fußball gezeigt, die Ergebnisse stimmten aber nicht immer. Gegen Ende war es nun eher umgekehrt: Nicht immer Spektakel, dafür stimmten die Ergebnisse. Wie habt Ihr diesen Umschwung hinbekommen?

Am liebsten hätten wir das natürlich verbunden, attraktives Spiel und Ergebnis. Es hat sich aber schon in der Vorbereitung gezeigt, dass die Spieler nach dem Abstieg noch einen mentalen Rucksack mit sich rumschleppten. Es war fast eine Art Angst vor dem Gewinnen. Das Magdeburg-Spiel war dabei ein Knackpunkt. Wir waren kurz davor, dass wir wieder ein Selbstverständnis für unser Spiel und darüber auch eine Selbstverständlichkeit im Gewinnen entwickeln, das heißt dass wir daran glauben, mit unserer Art und Weise konstant erfolgreich sein zu können. Doch dann verlieren wir ein Spiel, bei dem bis heute unglaublich ist, dass wir es angesichts unserer drückenden Dominanz nicht gewinnen konnten. Zusammen mit dem unglücklichen späten Ausgleich in Düsseldorf wurde das Zutrauen in die eigene Stärke dann wieder ein Stück weniger.

Dann kamen die Niederlagen in Darmstadt und gegen Paderborn…

Wir hatten schon weit vor Darmstadt und Paderborn mit vielen Maßnahmen konsequent daran gearbeitet, den mentalen Rucksack der Mannschaft zu entleeren und haben das zwischen und nach diesen beiden Spielen nochmals intensiviert – ohne ins Detail zu gehen. Im Pokalspiel gegen Kiel hatten wir dann erfreulicherweise das Momentum auf unserer Seite und auch einfach einmal das nötige Glück, dass der Ball von der Unterkante der Latte nicht ins Tor geht. In Berlin machen wir ein ordentliches Spiel und gewinnen noch einmal. Dadurch sind wir wieder in das Gefühl des Siegens gekommen – auch wenn der Schwerpunkt nicht mehr auf Angriffsfußball ausgerichtet war, sondern in erster Linie auf Stabilität. Vorne haben wir die Qualität, immer wieder ein Tor machen zu können. Auch die Umstellung auf die Dreierkette hat eine Rolle gespielt.

Es wurde viel darüber diskutiert, dass die Umstellung auf das neue System eine Abkehr von der vorgegebenen Spielidee ist. Stimmt das?

Man muss unterscheiden zwischen der Spielidee, der Grundordnung und dem Matchplan. Unsere Spielidee setzt Rahmenbedingungen, die die grundsätzliche Art und Weise vorgeben, wie wir in den FC-Mannschaften Fußball spielen möchten. Hier sind für alle Spielphasen jeweils mehrere Prinzipien festgelegt. Beispielsweise für die Spielphase gegen den Ball, dass wir den Gegner frühst- und höchstmöglich attackieren möchten. Ob das dann gelingt, hängt auch immer vom Gegner ab. Man kann sich das wie Leitplanken auf einer Autobahn vorstellen, einer sehr breiten Autobahn mit mehreren Fahrspuren. Die Trainer können entscheiden, auf welcher der Spuren sie fahren, sie dürfen nur nicht über die Leitplanken hinausfahren. Diesen Leitplanken beziehungsweise Spielpinzipien sind wir auch durch die Umstellung der Grundordnung auf Dreierkette treu geblieben. Die Grundordnung wiederum ist das System, in dem die Spielprinzipien umgesetzt werden. Dabei gibt es im Nachwuchsbereich ein vorgegebenes System, weil wir der Überzeugung sind, dass die Spieler im 4-3-3 am besten lernen können und ausgebildet werden. Für die Profimannschaften gibt es hingegen keine Grundordnungsvorgabe. Als dritte Komponente gibt es den Matchplan. Dies ist die konkrete Umsetzung der Spielidee in Bezug auf das nächste Spiel unter der Beachtung verschiedener Parameter wie dem Gegner, dem zur Verfügung stehenden Personal oder auch Bedingungen wie den Platzverhältnissen.

Wird es mit dem Blick nach vorne nun das Ziel, in der Wintervorbereitung die beiden Saisonphasen zu vereinen – also das ergebnisorientierte vom Ende und das attraktive Spiel vom Beginn der Saison?

Wir haben uns zuletzt, beispielsweise in der ersten Halbzeit im Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg, auch wieder verbessert im Spiel mit dem Ball gezeigt. Das gilt es jetzt in der Wintervorbereitung zu stärken und anschließend in der Rückrunde konsequent fortzusetzen.

Nach den Niederlagen in Darmstadt und gegen Paderborn wurde es zwischenzeitlich sehr unruhig. Hat Dich das in dieser Vehemenz überrascht?

Ich glaube, es ging in dieser Phase nicht um diese beiden Niederlagen, sondern um den über einen längeren Zeitraum aufgestauten Unmut. Wir sind in der vergangenen Saison am Ende verdient abgestiegen und haben zu Beginn dieser Saison zwar ordentliche Leistungen gezeigt, aber keine Ergebnisse geliefert. Irgendwann standen wir im Mittelfeld der 2. Bundesliga. Das war auch für das wohlwollendste Fan-Herz irgendwann zu viel. Deshalb habe ich den Unmut verstanden, weil viele Fans wahrscheinlich auch Angst um die Zukunft ihres FC hatten. Dann müssen Frust und Wut auch einmal raus, das war okay. Mit welcher Vehemenz in dieser Phase aber öffentlich Köpfe – oft auch auf Basis falscher oder verdrehter Fakten – gefordert wurden, das ging über eine Sachkritik deutlich hinaus.

Auch auf Trainer Gerhard Struber ist viel eingeprasselt. Wie zufrieden bist Du damit, wie er diese schwierige Situation gemeistert hat?

Wir hatten ihn im Sommer darauf vorbereitet, dass es sehr stürmisch werden kann, dass es aufgrund der Vorsaison auch sehr schnell sehr stürmisch werden kann, da wir ohne Kredit in die Saison gestartet sind. Wir wussten auch, dass eine Mannschaft, egal wie gut sie ist, so einen Abstieg im Regelfall nicht einfach so ablegen kann – Stichwort „mentaler Rucksack“. Insofern war Gerhard darauf vorbereitet, aber sicherlich trotzdem von der Vehemenz überrascht. Uns hat in dieser Phase geholfen, dass wir sehr sachlich, rational und nach vorne gerichtet waren und zudem im Innenverhältnis sehr vertrauensvoll, aber auch kritisch miteinander umgegangen sind. Das haben wir auch nach den jüngsten Siegen so beibehalten. Wenn wir gewinnen, sehen wir die Dinge nicht rosarot. Das ist gut so, denn das ist der Nährboden dafür, um weiter zu gewinnen. Gerhard war in dieser Phase sehr stabil und hat seine erste große Herausforderung in seiner noch kurzen FC-Zeit zusammen mit seinem Trainerteam mit Bravour gemeistert.

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Viel Kritik, in den sozialen Medien zum Teil auch Hass, richtet sich gegen Dich. Wie gehst Du persönlich damit um?

Die Menschen kritisieren nicht mich als Person, weil sie mich als Person zumeist gar nicht kennen und bewerten können. Die Kritik richtet sich auf meine Funktion. Dabei hilft mir ein hohes Maß an Resilienz. Ich habe früh in meinem Leben gelernt: Wenn du Sachen gravierend verändern musst, dann machst du a) nicht alles richtig, dann wird es b) auch eine Zeit dauern, bis die Veränderungen auch im Ergebnis sichtbar sind und deshalb muss du c) viel Ausdauer, Widerstandsfähigkeit und Überzeugung vorleben. Aus der Fanperspektive zählt – natürlich nachvollziehbar – in erster Linie das, was sportlich auf dem Platz passiert. Aber wenn man einen Club finanzwirtschaftlich saniert und in zentralen organisatorisch-kulturellen Aspekten verändert, wird der sportliche Erfolg erst einmal hintenanstehen müssen und erst mit Zeitversatz wieder nachziehen.

Auch wenn Du die Kritik so einordnen kannst: Ganz kalt kann es Dich nicht lassen, wenn sich die Kritik und teilweise Hass so extrem gegen Dich richtet…

Mich berührt es am meisten, wenn ich sehe, dass es mein Umfeld berührt. Das beginnt natürlich bei der Familie. Meine Eltern waren beim Paderborn-Spiel zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder im Stadion. Das war für sie natürlich kein Vergnügen, denn als Eltern machen sie sich – egal wie alt man ist – natürlich Sorgen um ihr Kind. Es geht weiter mit dem Freundeskreis und in die Belegschaft rein. Ich selbst weiß, worauf ich mich eingelassen habe. Mir macht das nichts aus und wenn es mich doch einmal trifft, dann mache ich Sport und danach geht es mir wieder besser. Wenn mir diese Kritik etwas ausmachen würde, dann könnte ich den Job nicht machen. Genauso denke ich aber auch nach einer Siegesserie nicht, dass alles super ist. Am Ende zähle ich auf die Meinung der Menschen, die mich wirklich gut kennen und mit denen ich jeden Tag eng zusammenarbeite.

Du hast eingangs gesagt, dass Du Silvester als Moment nutzt, um zurückzublicken. Welchen Fehler aus dem Jahr 2024 würdest Du gerne rückgängig machen?

Der größte Lerneffekt für mich ist sicher absolute Konsequenz und nichts durchgehen zu lassen, egal auf welcher Ebene. Das haben wir im zweiten Halbjahr deutlich besser gemacht als in den ersten sechs Monaten. Konsequenz heißt nicht nur dazwischen zu gehen, wenn jemand etwas Blödes macht. Es geht auch darum, wenn etwas gut läuft, daran zu appellieren, das Niveau zu halten und den Finger in die Wunde zu legen, wenn zwar das Ergebnis, aber nicht die Leistung stimmt.

Nun haben wir über viel Kritisches aus dem vergangenen Jahr gesprochen. Was war denn Dein schönster Moment des Jahres?

Der Pokalsieg in Sandhausen war ein toller Moment, als ich die Mannschaft nach langer, langer Zeit einmal wieder total freudig und ausgelassen gesehen habe. Schön war auch zu sehen, wie sich die Spieler nach dem Abstieg untereinander zusammengesetzt und gemeinsam über ihre Verantwortung für den FC gesprochen haben. Und als dritten Moment nehme ich, wie die Mannschaft nach dem Spiel in Regensburg an Luca Kilian gedacht hat. Losgelöst von einzelnen Momenten war es für mich schön, wie die wesentlichen Protagonisten in schwierigen Phasen zusammengehalten haben. Es geht um die Sache und nicht um mich oder andere Personen. Das würde ich über das Jahr 2024 schreiben.

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Teil zwei des Interviews lest Ihr hier. Darin spricht Christian Keller über den ersten Transfer nach der Registrierungssperre, die weiteren Planungen im Winter, den Stand der finanziellen Sanierung des FC, die FC-Frauen und seine Wünsche für das kommende Jahr.

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