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Schau Papa, ich kann Fußball spielen

13.7.2025

Es ist ein heißer Sommertag in Köln. Während sich die meisten Menschen in den Schatten retten, sind wir auf dem Bolzplatz verabredet. Rabia Karabulut, zwölf Jahre alt, will uns den Ort zeigen, an dem sie einen Großteil ihrer Freizeit verbringt. Neben ihrem ein Jahr älteren Bruder Serhat ist auch ihr Vater Hüseyin Karabulut dabei. Papa Hüseyin wird Rabia heute das erste Mal auf dem Platz Fußball spielen sehen.

Rabia lernten wir rund zwei Monate zuvor kennen. Mit anderen Mädchen der Ferdinand-Lasalle-Gesamtschule nahm sie damals am Sommerturnier der Futbalo Girls KölnBonn auf dem FC-Trainingsgelände teil. Rabia spielt in keinem Fußballverein. Die Turniere und das AG-Training in der Schule sind für sie die einzigen Möglichkeiten, mit gleichaltrigen Mädchen zu kicken.

Noch immer haben Mädchen in Deutschland nicht die gleichen Chancen wie Jungs, Fußball zu spielen – insbesondere nicht diejenigen, die aus benachteiligten Verhältnissen kommen. Dabei stärkt der Sport wichtige Sozialkompetenzen wie Teamarbeit, Kommunikation oder den Umgang mit Konflikten. Zugleich kann er in der Persönlichkeitsentwicklung von jungen Mädchen eine wichtige Rolle spielen und das Selbstbewusstsein stärken. Umso wichtiger sind Projekte wie die Futbalo Girls, durch die die Mädchen unabhängig von ihrer Herkunft gemeinsam Sport treiben. Das Projekt ist eine Kooperation der FC-Stiftung und der sk stiftung jugend und medien der Sparkasse KölnBonn, an der pro Schuljahr zehn Schulen aus der Region teilnehmen dürfen.

Detaillierte Infos zu den Futbalo Girls KölnBonn gibt es hier.

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Zum Abschluss des Schuljahres kommen alle Kinder zum Geißbockheim, um auf dem großen Kunstrasenplatz das Sommerturnier auszutragen. In diesem Jahr ist auch Rabia dabei. Sie fällt auf: Nicht, weil sie, als eins der wenigen Mädchen einen Hijab trägt, sondern wegen ihres Talents. Sie ist trickreich, hat eine enge Ballführung und scheut gleichzeitig keinen Zweikampf. Das Turnier zeigt, welche Entwicklung die Schülerinnen über das Jahr genommen haben - sportlich wie menschlich. „Ich mag es überhaupt nicht, zu verlieren“, sagt Rabia. Der Fußball hilft ihr dabei zu lernen, wie man die Niederlagen besser verarbeitet. Während des Turniers spielt sie meist in der Abwehr, tankt sich im Ballbesitz aber immer wieder bis vorne durch, ohne dabei eigensinnig zu sein. „Ich versuche erstmal das Tor zu schützen“, erklärt sie. „Dann stehen unsere Chancen besser. Wenn ich danach dem Gegner den Ball abgenommen habe, versuche ich mich einfach nach vorne durchzudribbeln.“

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Schnell merkt man: Rabia ist ehrgeizig. „Selbst beim Kartenspielen muss sie gewinnen“, lacht Papa Hüseyin, der vor 26 Jahren aus der Türkei nach Deutschland gezogen war. Die ersten Jahre wohnte er in Mecklenburg-Vorpommern, später zog er mit seiner Frau nach Köln, wo schließlich die Kinder zur Welt kamen. Sein Geld verdient er als Bauarbeiter. Die Arbeitstage sind lang, weswegen er seiner Tochter bislang weder in der AG noch bei den Turnieren zuschauen konnte. „Sie ist gut, oder?“ Hüseyin schaut am Zaun stolz zu, wie Rabia mit dem Ball jongliert. In seiner Jugendzeit war er Ringer. „Ich habe nicht viel Ahnung vom Fußball, aber freue mich sehr, dass Rabia so viel Freude daran hat“, erzählt er.

Trotz ihres Ehrgeizes und Talents spielt Rabia bislang nicht im Verein. „Ich weiß nicht, ob ich gut genug bin. Mein Schuss ist manchmal noch zu schwach“, erklärt sie. Stattdessen geht sie auf den Bolzplatz und kickt dort mit den Jungs. „Wir gehen nach der Schule hin und spielen bis wir abends nach Hause müssen.“ Ihr Bruder Serhat hatte sie vor einigen Jahren erstmals mitgenommen und trainiert sie seitdem. „Wir machen verschiedene Übungen: Dribbling, Passen oder Schießen – alles ist dabei“, erklärt Serhat, der den braunen Gürtel im Karate besitzt, sich aber sehr für Fußball interessiert. „Zuhause schaue ich viel, ich habe auch gesehen, wie der FC aufgestiegen ist. Rabia guckt dann manchmal mit, sie spielt aber lieber selbst“, sagt er und grinst dabei. „Es wäre cool, wenn Rabia auch in einem Verein spielen würde. Ich glaube, dass sie durch die AG an Selbstbewusstsein gewonnen hat.“

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„Mein Traum ist es, Fußballprofi zu werden“, sagt Rabia. „Aber: in welchem Alter wird man eigentlich Profi?“, fragt sie anschließend. Anders als im Männerfußballer sind weibliche Spielerinnen in der Öffentlichkeit kaum präsent, es mangelt den Mädchen an Vorbildern. Auch hier versuchen die Stiftungen im Rahmen der Futbalo Girls mit mehreren Highlight-Aktionen entgegenzusteuern. Zum Start des Projekts durften die Mädchen die ehemalige FC-Profispielerin Lena Uebach mit Fragen löchern. Ein paar Monate später lief Rabia vor dem Heimspiel der FC-Frauen gegen Jena mit FC-Profi Laura Vogt ins Franz-Kremer-Stadion ein. „Das war echt cool! Wir konnten mit den Spielerinnen sprechen, die waren alle sehr nett“, erzählt sie. „Beim Spiel waren sie aber ein bisschen unkonzentriert“, lässt sie trocken folgen. Der FC verlor an diesem Abend mit 0:1.

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Das Einlauf-Trikot jenes Tages trägt Rabia auch heute auf dem Bolzplatz. Bei jedem Foto zeigt sie stolz auf den Geißbock. „Manchmal ziehe ich mir in meinem Zimmer das Trikot an, mache mir brasilianische Musik an und halte den Ball hoch“, lacht sie. Alle teilnehmenden Mädchen erhalten auch ein Trikot der Futbalo Girls. Für viele der Schülerinnen ist es das erste Trikot. Eine kleine Geste, die eine immense Bedeutung haben kann.

Für viele der Mädchen ist das Projekt die einzige Chance, Fußball zu spielen. Weil sie sich es nicht zutrauen oder es ihnen aus kulturellen Gründen verboten wird. Die Futbalo Girls halten dagegen, das Projekt steht im Zeichen des Empowerments durch den Fußball. Denn leider wird der Frauenfußball oftmals noch immer mit Misstrauen betrachtet.

Damit Mädchen wie Rabia trotzdem ihren Traum verfolgen können, kämpfen die engagierten Lehrerinnen und Lehrer sowie Mitarbeitenden der Stiftungen täglich gegen die Vorurteile an. „Wir bieten den Mädels durch unsere Sessions einen geschützten Raum, in dem sie sich entwickeln und über sich hinauswachsen können. Damit wollen wir zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen und Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen“, sagt Anna-Sophie Himmelberg von der sk stiftung jugend und medien.

Das Schuljahr geht zu Ende, auf die Futbalo Girls wartet noch ein echtes Highlight: Eine Führung durchs RheinEnergieSTADION, inklusive der Kabinen. Gerade davon erzählt Rabia noch heute mit leuchtenden Augen. „Als ich in der Kabine saß, habe ich mir vorgestellt, dass hier irgendwann auch mal mein Trikot hängen wird.“